Montag, 27. Februar 2023

Sag mir, wo die Gletscher sind


Foto: Rémih, CC BY-SA 3.0, Wikipedia

4400 Gletscher gibt es ungefähr noch in den Alpen. Durch den Klimawandel sind 500 vor allem kleinere Gletscher in den vergangenen Jahrzehnten schon verschwunden. Bis zum Ende des Jahrhunderts werden voraussichtlich nur etwa 700 übrig bleiben, die meisten davon allerdings in den Westalpen,

Gletscherfreie Alpen wären fatal. Ihr Schmelzwasser speist den Rhein, die Donau, die Rhône und den Po. Und zwar genau dann, wenn wir es am dringendsten benötigen, in heißen Sommern. Doch schon heute kann weniger Schmelzwasser lange Trockenzeiten und hohe Verdunstungsraten nicht mehr ausgleichen. Dann führen Flüsse weniger Wasser, was die Schifffahrt am Rhein und auf der Donau beeinträchtigt, dadurch das Funktionieren von Lieferketten stört, die Stromproduktion und  die immer dringender werdende Bewässerung von Feldern und damit die Landwirtschaft beeinträchtigt. Und auch die Industrie ist auf gut gefüllte Flüsse angewiesen.

Knapp über 60 Prozent des hierzulande erzeugten Stromes stammt aus Wasserkraft, die zumindest bisher weitgehend unabhängig von Wetter oder Jahreszeiten war. Aber im vergangenen Sommer produzierten die heimischen Laufwasserkraftwerke rund ein Drittel weniger Strom als im Jahr davor. Deshalb musste Österreich massiv Energie importieren, anstatt wie sonst in den Sommermonaten zu exportieren.

Bis Ende des Jahrhunderts kann es in Österreich um bis zu vier Grad wärmer werden. Wir sollten ernsthaft beginnen, etwas dagegen zu tun!

Aus: Profil 9/2023

Freitag, 24. Februar 2023

Die Energiewende ist möglich!

Gefährden radikale, schnelle Veränderungen der fossilen Energieinfrastruktur die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität? Ist ein beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien wirklich nicht umsetzbar? Ist Erdgas als Brückentechnologie ins Zeitalter der Erneuerbaren tatsächlich  unerlässlich?

In Umbruchzeiten mit neuen, geänderten Verhältnissen neigen wir dazu, eine neue Realität immer noch aus der Perspektive bisher vorherrschender Sichtweise zu betrachten, weil wir uns in den neuen Gegebenheiten erst neu orientieren müssen. 

Die Ausbauzahlen für PV-Anlagen, Batteriespeicher und auch für die Windkraft haben europaweit neue Höchstzahlen erreicht, allen Widrigkeiten zum Trotz. Im Heizungsbereich boomt der Einbau von Wärmepumpen, ob bei uns, in Polen, Deutschland oder Schweden. Gleichzeitig ist europaweit der Gasverbrauch um fast ein Fünftel zurückgegangen, und bei einem trotz Krieg und Inflation beachtlichen Wirtschaftswachstum von EU-weit 3,5 Prozent sind sogar auch die Emissionen leicht zurückgegangen.

Dies ist eine absolut positive Botschaft. Insbesondere für alle, die bei Gedanken an den Klimaschutz an der Größe der bevorstehenden Aufgabe verzweifeln. Ja, die bevorstehenden Umwälzungen sind groß. Aber die Gestaltbarkeit der Verhältnisse ist es auch.

Zwei Positivbeispiele dazu aus der Vergangenheit (aus: „Weltuntergang fällt aus“ von Jan Hegenberg):

  • Deutschland hat zwischen 1865 und 1875 13 000 Kilometer Schienennetz inklusive Bahnhöfen aufgebaut und in ähnlichen Zeiträumen 5000 Lokomotiven und die dazu passenden Züge hergestellt. Und das mit der Technik des 19. Jahrhunderts.
  • Vor Corona wurden in Deutschland jährlich über fünf Millionen Autos hergestellt, um die hunderttausend Einfamilienhäuser gebaut, etwa 300 000 Wohnungen und 100 000 Fabrik- Werkstatt- und Warenlagergebäude errichtet.

Und da sollte es nicht möglich sein, in den nächsten 15, 20 Jahren die erforderliche Anzahl von Wärmepumpen, Photovoltaik- und Windkraftanlagen zu installieren und die notwendigen (die Not wendenden) Transformationsprozesse zu bewältigen?

Donnerstag, 23. Februar 2023

Das internationale Asylsystem und seine Zukunft.

Foto: Хрюша, CC BY-SA 3.0, Wikipedia

Wie überzeugt man Mehrheiten in Europa und darüber hinaus, dass es nicht nur möglich, sondern auch in ihrem eigenen Interesse ist, an der Genfer Flüchtlingskonvention festzuhalten?

Die Flüchtlingskonvention wurde 1951 geschrieben damit sich Schicksale wie das von Bertold Berger und seiner Familie niemals wiederholen würden. Bertold Berger war mit seiner Frau und zwei Kindern 1938 nach dem „Anschluss“ aus Wien geflohen. Es gelang der Familie, die Grenze zur  Schweiz zu überqueren. Die Schweiz gewährte der Familie keinen Schutz, erlaubte aber einen kurzfristigen Aufenthalt, während sie auf die Visa für ihre Weiterreise nach Uruguay wartete. Als diese nicht rechtzeitig eintrafen, deportierte die Schweiz die Familie zurück nach Nazi-Deutschland. Sie alle wurden später in Konzentrationslagern ermordet.

Keinen Flüchtling auf der Suche nach Schutz zurückzuweisen ist keine Forderung nach einer Welt ohne Grenzen. Schutzbedürftigkeit ist ein international anerkanntes Recht. Recht auf Migration gibt es dagegen keines. Es ist genau der Sinn von Asylverfahren, diese Unterscheidung zu machen.

In einem humanen, weltweiten System zum Schutz von Flüchtlingen müssen mehr Staaten Schutz bieten, immer weniger Schutzsuchende an Grenzen zurückgewiesen werden, muss das Prinzip des Non-refoulement strikt beachtet und müssen mehr Asylentscheidungen auf Basis der Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention getroffen werden.

Heute scheint so eine Welt weiter entfernt denn je. Was also muss passieren? Um diese Frage zu beantworten, hat die „European Stability Initiative (ESI)“ eine Serie von Artikeln über eine mögliche Zukunft des Asylsystems herausgegeben. Den ersten, einführenden Beitrag finden Sie hier, ergänzende Informationen dazu hier.

Freitag, 17. Februar 2023

"Nein!" zu anlassloser Videoüberwachung

Eine geplantes Projekt in Wien hätte österreichweite Auswirkungen – also auf uns alle: Die Wiener Stadträtin Ulli Sima plant, die Wiener Innenstadt künftig mit Videokameras um lächerliche Kosten von 20 Millionen Euro zu überwachen, um dort damit eine Verkehrsreduktion von 14% zu erreichen.

Von dieser Überwachung würden z.B. auch Passant:innen, Radfahrer:innen oder Demobesucher:innen erfasst werden. Die Rechtsgrundlage für den Echtzeitzugriff der Polizei auf diese Videokameras gibt es bereits, dafür braucht es weder einen Richter noch einen konkreten Verdacht. Um das Projekt umzusetzen wäre noch eine StVO-Novelle erforderlich. Weil diese aber  österreichweit gelten würde, bedeutet das, dass uns damit  überwachte Innenstädte in ganz Österreich drohen würden.

Die Grünen setzen sich für Datenschutz und Kontrolle über die eigenen Daten ein. Wir fordern

  • die Ausstattung der Datenschutzbehörde mit ausreichenden Ressourcen
  • Transparenz von Politik und öffentlicher Verwaltung
  • eine österreichweite und technologieneutrale Breitband-Versorgung
  • Prinzip „Open by Default“ für nicht-personalisierte Daten der öffentlichen Verwaltung

https://gruene.at/themen/digitalisierung/
https://epicenter.works/content/oesterreich-drohen-ueberwachte-innenstaedte

Mittwoch, 15. Februar 2023

Krankes System.

Gerade haben die Ölkonzerne ihre exorbitanten Gewinne für 2022 veröffentlicht: Unsere OMV 5 Mrd. €, Chevron 36 Mrd. $, Shell verdoppelt seinen Gewinn auf 40 Mrd. $. Exxon verzeichnet einen Gewinn von 56 Mrd. $ und will jährlich mehr als 30 Mrd. $ an Dividenden ausschütten und für den Rückkauf eigener Aktien verwenden. Das Unternehmen will jährlich 20 bis 25 Milliarden Dollar investieren, davon aber nur 3,4 Milliarden in nicht näher spezifizierte „emissionsarme Projekte“. So viel dazu, dass diese Gewinne bei den Unternehmen bleiben müssen, damit sie „in die Zukunft“ investieren können. Es sind nicht nur die klimaschädlichen Öl- und Gaskonzerne, die Spitzengewinne einfahren, sondern auch viele andere.

Dem gegenüber steht eine Hochinflation, die vor allem in Großbritannien, Frankreich, anderen Teilen Europas und den USA die ArbeitnehmerInnen mitten im Winter zu einer noch nie gesehenen Streikwelle motiviert.

Unser Wirtschaftssystem ermöglicht also vor allem großen Unternehmen und ihren EigentümerInnen (das sind auch große Pensionsfonds) Spitzengewinne und produziert auf der anderen Seite Haushalte, die sich ein menschenwürdiges Leben nicht mehr leisten können. Sollte die Wirtschaft nicht eigentlich der Bevölkerung dienen und ihr Auskommen sichern?

Diese Situation gefährdet den sozialen Zusammenhalt und treibt bei Wahlen die WählerInnen den Populisten und Staatsverweigerern zu, wie die Ergebnisse der letzten Wahlen in der westlichen Welt europaweit zeigen. Und der Abbau gesellschaftlicher Solidaritätsvorstellungen als Leitbild der Wirtschaftspolitik hin zu einem individualistischen Marktfetischismus hat verheerende Folgen für die Umwelt, das Klima und den sozialen Zusammenhalt.

https://kurtbayer.wordpress.com/2023/02/03/obszone-gewinne-bei-einigen-armut-bei-vielen/
https://www.dw.com/en/shell-bp-boost-profit-sink-investment-in-renewable-energy/a-64656800
https://corporateeurope.org/en/2022/11/how-gas-lobby-fuelling-cost-living-crisis
https://www.euronews.com/my-europe/2023/01/12/nearly-half-of-europeans-say-their-standards
https://news.harvard.edu/gazette/story/2021/09/oil-companies-discourage-climate-action
https://www.euronews.com/my-europe/2023/02/07/in-u-turn-brussels-recommends-eu-wide-exit

Freitag, 10. Februar 2023

Der Truthahn und wir.

 

Ein Truthahn, der Tag für Tag von seinem Besitzer gefüttert wird, nimmt aufgrund seiner täglichen positiven Erfahrungen (Fütterung und Pflege) an, dass es der Besitzer nur gut mit ihm meinen kann. Ihm fehlt die wesentliche Information, dass diese Fürsorge nur einem Zweck dient: Der Truthahn wird verspeist. Am Tag vor Thanksgiving, bei dem die Truthähne traditionell geschlachtet werden, erlebt der Truthahn eine fatale Überraschung.  

Diese Metapher wird in der systemischen Fachwelt als Synonym für unseren Umgang mit extrem seltenen, aber mit katastrophalen Auswirkungen behafteten Ereignissen verwendet. Denn wir verhalten uns angesichts solcher auf uns zukommender oder drohender Entwicklungen wie die Truthähne. Eines der größten Probleme unserer Zeit ist unser lineares, einfaches Ursache-Wirkungs- Denken. Dieses hat uns über Jahrzehnte sehr erfolgreich gemacht, ist aber nicht dazu geeignet, komplexe Probleme zu bewältigen. Das hat nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun, sondern ist eine Folge unserer evolutionären Entwicklung. Was aber nicht heißt, dass wir diese Veranlagung nicht durch unsere Intelligenz überwinden könnten. 

Wir dürfen das Fehlen von Beweisen nicht mit  dem Beweis für das Nichtvorhandensein bedrohlicher Entwicklungen verwechseln. Und wir müssen wegkommen von schnellen „Quick-and-Dirty-Lösungen“, die sich zwar schnell umsetzen lassen, aber langfristig das eigentliche Problem verschlimmern. Wir müssen hinkommen zu   fundamentalen Lösungen, die die Ursachen des Problems beseitigen können, auch wenn sie kurzfristig vielleicht mit Nachteilen verbunden sind.

Denn: „Wir können die Realität ignorieren, aber nicht die Konsequenzen einer ignorierten Realität.“  (Markus Reisner, Herbert Saurugg). Herbert Saurugg, MSc, ist internationaler Blackout- und Krisenvorsorgeexperte und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge

Aus: https://www.saurugg.net/wp-content/uploads/2022/07/gfkv-katastrophenwinter-2023.pdf

Dienstag, 7. Februar 2023

Falsche Richtung!

 

Der Gütertransport in Österreich über die Alpen entwickelt sich in der falschen Richtung. Die Menge der transportierten Güter ist von 2015 bis 2019 um 11 Prozent auf 136 Millionen Tonnen gestiegen (aktuellere Daten sind nicht verfügbar). Davon wurden aber nur 26% mit der Bahn transportiert, 1999 waren es noch 32 Prozent. Fast 60% aller alpenüberquerenden LKW- Fahrten war Transitverkehr.

Auch in Frankreich wird der weitaus überwiegende Teil des Güterverkehs über die Alpen mit LKWs abgewickelt. Dass es auch anders ginge zeigt die Schweiz:

Aus https://www.derstandard.at/story/2000143280666/bahntransport-ueber-die-alpen-stagniert


Freitag, 3. Februar 2023

Bodenversiegelung ist weiter gestiegen.

 

Aus den Daten des Umweltbundesamts (UBA) geht hervor, dass in Österreich 2021 jeden Tag zehn Hektar Fläche verbraucht wurden. Über 50 Prozent davon (5,8 Hektar) sind durch Versiegelung dauerhaft verloren gegangen. Der Versiegelungsgrad ist damit weiter GESTIEGEN, er lag in den Vorjahren bei knapp über 40 Prozent.

Im März soll der finale Entwurfs der Bodenstrategie veröffentlicht werden. Begonnen damit wurde bereits im Oktober 2021. Jedoch: Gegenüber früheren Entwürfen haben Bund, Länder und Gemeinden die Strategie weiter verschlechtert.

Aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es, dass aktuell mit Hochdruck an der Fertigstellung der Bodenstrategie gearbeitet wird. Die Strategie würde bewusst gemeinsam mit den Ländern und Interessensvertretungen auf Augenhöhe ausgearbeitet, es gelte "Qualität vor Tempo." Das im Regierungsprogramm versprochene Ziel, den Flächenverbrauch auf 2,5 Hektar täglich zu reduzieren, soll einer "Plausibilisierung" unterzogen (und somit in Frage gestellt) werden. Dann soll  2024 eine Diskussion zu einem "gemeinsamen österreichweiten Zielwert" erfolgen, ein Jahr später ein Fortschrittsbericht erstellt und dieser dann 2026 veröffentlicht werden.

Dieses nicht gerade berauschende Tempo mag zwar eine optimale Berücksichtigung der Interessen aller
Handels- und Industrielobbyisten, Landesfürsten und Gemeindekaiser ermöglichen; rasche, wirksame und zukunftsorienterte Politik zugunsten der Umwelt sieht allerdings anders aus.

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2176879-WWF-kritisiert-Entwurf-zur-Bodenstrategie.html

Mittwoch, 1. Februar 2023

Politik fürs Gemeinwohl

 

Die Auswüchse unseres Wirtschaftssystems zerstören die Lebensbedingungen auf unserem Planeten. Einzelne Wirtschaftszweige haben heute in manchen Bereichen mehr Macht als Regierungen. Erderwärmung, marode Gesundheitssysteme, wachsende Einkommens- und Vermögensungleichheit sind Ursachen für eine zunehmende Politikverdrossenheit - ideale Voraussetzungen für Populisten, die schnelle Lösungen versprechen. Tatsächliche Lösungen sind jedoch komplex und erfordern Verhaltensänderungen von Regierungen, Unternehmen, Individuen und der gesamten Zivilgesellschaft.

Daher ist ein grundlegender Wandel der politischen Ökonomie erforderlich. Die Priorität aller sozialen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen sollte der Schutz der grundlegenden Bedingungen sein, die das menschliche Leben erhalten. Bei der Bewältigung der gegenwärtigen Krisen muss das Gemeinwohl das Ziel sein. Eine strikt am Gemeinwohl orientierte Politik würde Möglichkeiten zur Förderung der menschlichen Solidarität, des Austauschs von Wissen und der kollektiven Verteilung von Gewinnen bieten. Das Ziel einer solchen „ethischen Marktwirtschaft“ dürfte nicht die Vermehrung von Geldkapital, sondern müsste das gute Leben für alle sein. Sie wäre der beste, ja der einzige Weg, um eine angemessene Lebensqualität für alle Menschen auf einem vernetzten Planeten zu gewährleisten.

Mehr dazu hier, hier und hier