Montag, 29. Juni 2020

Schrumpfen, um zu wachsen? Eine Replik.


Manchmal finde ich Franz Schellhorns Beiträge im „profil“ ganz gut. Sein Beitrag im Heft 27/2020 ist aber mehr als grenzwertig.

Gleich im zweiten Satz behauptet Schellhorn, es müsse „eigentlich jedem klar sein, dass eine Welt ohne Wirtschaftswachstum nicht die Endstation Sehnsucht sein kann“. Und am Ende des ersten Absatzes wird klar, dass er unter Wachstum bloß Wirtschaftswachstum versteht. Ganz nach dem Motto „Geht´s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ unterstellt er in dem Beitrag, Wirtschaftswachstum wäre die fast alleinige Grundvoraussetzung für steigende Lebensqualität und die Verringerung von Armut und Ungleichheit. Die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit sei nur durch Wirtschaftswachstum und ein Halten des Wohlstandsniveaus nur durch höhere Produktivität möglich. Aber: Ist es nicht eine jedem Schulkind erklärbare Tatsache, dass fortwährendes Wirtschaftswachstum mit steigender Produktion, steigenden Abfallmengen und Umweltschäden, steigendem Verbrauch an Rohstoffen und Energie in einer Welt mit begrenzten Ressourcen auf Dauer nicht möglich sein wird? Geht es uns wirklich automatisch besser, wenn mehr produziert, konsumiert, verbraucht und weggeworfen wird? Ist unser durch subtile Werbung angestachelter Konsum nicht in Wirklichkeit eine Ersatzhandlung, mit der wir unsere zuvor erzeugte Unzufriedenheit bekämpfen und ein glücklicheres Leben erreichen wollen? Sind wir mit diesem Verhalten nicht bloße Erfüllungsgehilfen global agierender Konzerne, damit diese ihr Geschäftsmodell ohne Rücksicht auf Umwelt und nachfolgende Generationen aufrecht erhalten können?

Dann wird von Schellhorn zunächst die Post-Wachstums- und die Fridays-for-Future-Bewegung mit dem Hinweis lächerlich gemacht, dass „eine prominente deutsche Vertreterin der Fridays-for-Future-Bewegung mit hippen Air-Pods im Ohr beklagte, dass die Politik zur Rettung der Wirtschaft allen Ernstes zum Konsum aufrufe, anstatt zu fragen, was wir denn eigentlich zum Leben wirklich bräuchten“. Und gleich darauf kommt die Behauptung, dass „Menschen, die ganz unten auf der Wohlstandsleiter stehen, die prekären Haushalte in den reichen Ländern, vor allem aber Hunderte Millionen von Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern, von der Post-Wachstum-Bewegung direkt in das Elend zurückgeschickt werden.“ Und es wäre auch „genau dieses wegbrechende Wachstum, das einen immer größeren Keil zwischen Arm und Reich treibt.“ Unbestreitbar ist zwar, dass eine Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern dort wohl auch die Verwendung und damit Produktion notwendiger (die Not wendender) Güter erfordert. Aber treiben nicht internationale Konzerne, die Rohstoffe in diesen Ländern ausbeuten, die Ungleichheit zwischen erster und dritter Welt voran? Ist nicht unsere Geiz-ist-geil-Mentalität, sind nicht unsere ausschließlich auf wirtschaftlichen Wettbewerb ausgerichteten Unternehmen mit schuld an diesem Ungleichgewicht? Sie verlagern zwar Produktionsstätten in Drittweltländer und schaffen dort Arbeitsplätze, aber kaum zum Wohl der dortigen Bevölkerung, sondern um vielmehr vom erbärmlichen Lohnniveau und laxen Sozial- und Umweltstandards zu profitieren. Dass gleichzeitig Arbeitsplätze und auch handwerkliches Know-How bei uns verloren gehen, wird als Kollateralschaden hingenommen und die entsprechenden Kosten der Allgemeinheit bei uns aufgebürdet. Haben nicht die Regierungen von Industriestaaten, die lokale korrupte Regierungen unterstützen oder lokale Kriege schüren, um Zugang zu Rohstoffen zu erhalten oder sich Absatzmärkte zu sichern, Anteil an dieser Ungleichheit? Und wäre es nicht die wirklich entscheidende Frage, was die Mehrheit der Menschen zu einem guten Leben eigentlich tatsächlich braucht?

Schellhorn behauptet, „dass bessere Schulen und soziale Absicherung nur mit Wachstum zu erreichen sind.“ Das stimmt aber nicht. Es braucht nicht mehr Wachstum, sondern eine entsprechende und treffsichere Finanzierung. Und wenn er beklagt, dass wir es bei uns „für den richtigen Weg hielten, die menschliche Arbeitskraft mit immer höheren Steuern und neuen Abgaben auf ein Niveau zu verteuern, das sich kaum noch jemand leisten kann“, so unterschlägt er, dass es ausschließlich am politischen Willen fehlt, das zu ändern und die Finanzierung staatlicher Aufgaben durch eine zeitgemäße und faire Lastenaufteilung zu sichern.

Samstag, 20. Juni 2020

Danke sagen - so schwer kann das doch nicht sein!

Der Bundespräsident tat es, alle Bundesminister vom Bundeskanzler abwärts taten es, unsere Landeshauptfrau tat es. Alle Bürgermeister rundum taten es.

Nämlich der Bevölkerung ihren Respekt für die Disziplin, für die Loyalität und vor allem für den großen Zusammenhalt während des Lockdowns auszudrücken.

Sie alle hatten erkannt, dass Regierungsmaßnahmen von der Bevölkerung mitgetragen werden müssen, wenn sie wirksam sein sollen.

Nur aus unserer Gemeinderegierung kam nichts, sieht man vom berechtigten Lob an den Bauhof und die Feuerwehr, dem ich mich gerne anschließe, ab. Aber das war längst nicht alles.

Mir als Betroffener, der die Hilfsbereitschaft von zuvor fremden Biedermannsdorferinnen und Biedermannsdorfern kennenlernen durfte, ist es ein Bedürfnis, diesen Dank nun wenigstens von meiner Seite und gerne auch stellvertretend für viele andere auszusprechen.

Es ist dies eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

Karl Wagner

Die Ausschüsse - eine Gelegenheit, Parteigrenzen zu überwinden


Ebenso wie der Gemeinderat, müssen auch die Ausschüsse konstituierend zusammentreten, um die jeweiligen Vorsitzenden und Stellvertreterinnen, bzw. Stellvertreter wählen zu können.

Erst, wenn es eine(n) Vorsitzende(n) gibt, kann ein Ausschuss einberufen und damit wirksam werden. Den Grünen wurden die Ausschüsse Umwelt (UGR Karl Wagner) und Infrastruktur (GR Anne Marie Kern) zugesprochen, weshalb diese auch einstimmig als Vorsitzende gewählt wurden. Ihnen oblag es nun, eine Stellvertretung zur Wahl vorzuschlagen. Beide hatten, um ein Zeichen der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit zu setzen, jeweils Kanditaten aus anderen Parteien vorgeschlagen. Für den Umweltausschuss eine Vertretung aus der ÖVP und für den Infrastrukturausschuss aus der SPÖ. Leider lehnten diese die Wahl ab, weshalb nunmehr auch die Stellvertretung aus den Reihen der Grünen nominiert wurde.

Schade. Wir hoffen, dass trotzdem einer gedeihlichen Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg nichts im Wege stehen wird und werden weiterhin konstruktiv an den Gemeindegeschicken mitarbeiten.

Karl Wagner

Dienstag, 16. Juni 2020

Neuberechnung der Hortkosten braucht´s!

Betroffene Eltern haben uns auf unverhältnismäßig hohe Hortkosten in Biedermannsdorfs Nachmittagsbetreuung aufmerksam gemacht.

Eine Vollzeitbetreuung kostet pro Kind bis zu 340,-/Monat. Das ist rund doppelt so hoch, wie in Niederösterreich üblich.
Sogar Privatschulen bieten günstigere Nachmittagsbetreuung als Biedermannsdorf an. 


Das kommt deswegen zustande, weil die Gemeinde Hortgebühren nach Einkommen staffelt. Dafür ist aber nicht die Marktgemeinde Biedermannsdorf zuständig, sondern das Land Niederösterreich. Dieses bietet nämlich eine nach Einkommen gestaffelte Förderung nach Einkommen an. Quelle: http://www.noe.gv.at/noe/Kinderbetreuung/foerd_noeKinderbetreuung.html

Das hat in Biedermannsdorf zur Folge, dass Familien mit zwei berufstätigen Elternteilen und Geschwistern stark benachteiligt werden und meistens die Hortkosten in oben genannter Höhe tragen mussten.

Als Mitglied im Ausschuss für Bildung & Generationen werde ich mich für eine gerechte Neuberechnung der Hortkosten und bessere Information von förderungswürdigen Familien einsetzen.

Dienstag, 9. Juni 2020

Grüne Handschrift in der Integrationspolitik gehört umgesetzt!


SOS Mitmensch hat gemeinsam mit 28 Expertinnen und Experten einen Bericht zur österreichischen Integrationspolitik erstellt. Fazit: Mehr als die Hälfte der politischen Ankündigungen und Maßnahmen wird als „desintegrativ“ beurteilt, weniger als ein Drittel als „integrativ“.

Der unter Türkis-Blau gestartete Zug in Richtung Desintegrationspolitik wurde zwar eingebremst, aber nicht gewendet. Der Bericht konstatiert zahlreiche positive Ansätze der türkis-grünen Regierung. Betrachte man alleine das Regierungsprogramm, dann seien diese sogar numerisch in der Überzahl. Allerdings werden fast drei Viertel (71 %) der integrativen Ankündigungen der neuen Bundesregierung als „unkonkret“ eingestuft. Diese fehlende Konkretisierung könnte die tatsächlichen Umsetzungschancen dieser Maßnahmen gefährden.

Montag, 8. Juni 2020

DURCHGEHENDE BETREUUNG UNSERER KINDERGARTENKINDER im heurigen SOMMER! Antrag der Grünen NÖ wird umgesetzt!

Bild von tolmacho auf Pixabay

Der Kindergarten hat diesen Sommer durchgehend geöffnet. Das ist sehr gut.

Nur ist das keine Leistung der Gemeinde, wie sie uns in einem Posting vor wenigen Tagen verkaufen möchte und das bedarf einer kleinen Richtigstellung.

Es handelt sich nämlich um den Beschluss der Landesregierung und im Prinzip um die Umsetzung eines ursprünglichen Antrags der Grünen NÖ  von der Landtagssitzung vom 7. Mai 2020.

Lesen Sie die Hintergründe:

Freitag, 5. Juni 2020

Chance vertan?


Die Corona-Pandemie hat die neoliberale Gehirnwäsche nicht beseitigt. Die systemrelevanten Berufe – von der Krankenschwester bis zum Paketboten – verdienen zu wenig und arbeiten oft im Niedriglohnsektor. Die systemzerstörerischen Berufe wie Investmentbanker, Hedgefonds-Manager und wenige Superreiche haben riesige Einkommen und nennen mehrstellige Millionenbeträge unverschämt ihr „Eigentum“.

Das eine Prozent der Österreicher, das ein Drittel des gesamten Vermögens besitzt, hat in der großen Regierungspartei einen Garanten dafür, dass die Steuern für Multimillionäre nicht erhöht werden. Ihre Parteispenden waren für sie eine super Investition. Dass auch die FPÖ hier mitspielen würde, wenn sie wieder könnte, ist zwischenzeitlich hinreichend sichtbar geworden. Die üppig mit Steuergeldern geförderten Boulevardmedien erzählen den Menschen jeden Tag, dass man sich Milliarden-Vermögen redlich durch Arbeit verdienen kann, dass nach der Einführung von Erbschaftssteuern das Finanzamt im Nachtkastl Nachschau halten und das Einfamilienhäuschen dem Fiskus zum Opfer fallen würde. Und ein viel zu großer Teil der Bevölkerung ist blind und zu obrigkeitshörig, um das zu sehen und wirksam dagegen aufzubegehren. Woran auch ein Schulsystem seinen Anteil hat, dessen Modernisierung seit Jahrzehnten von der Partei der Systembewahrer verhindert wird.

Mittwoch, 3. Juni 2020

Das Wunder von Medellín



Medellín. Ein Synonym für Drogenkrieg, Mord und Willkür. Der Name Pablo Escobar, der Drogenbaron, ist untrennbar mit dieser Stadt verbunden. Hier hatte er seine Machtbasis. Sein Name steht für Angst, Terror, und Krieg. Nachdem er in dieser Stadt erschossen wurde, füllten rasch neue Organisationen des Schreckens die Lücke auf. Polizei und Militär unterschieden sich an Grausamkeit gegenüber der Zivilbevölkerung kaum von den Banden, die sie bekämpften.

Die sozialrevolutionäre Guerillabewegung FARC, entstanden aus Hass und Angst, lehnte sich gemeinsam mit Teilen der Bevölkerung gegen diese Spirale der Gewalt auf. Mit Gewalt. So begann ein jahrelanger Krieg, an dessen Ende aber – „Das Wunder von Medellín“ stand.

Bürgerinnen und Bürger nahmen den Widerstand auf. Gewaltfrei. Zusammenhalt, Solidarität und viel Mut, aber auch Verzweiflung waren die Zutaten des Erfolgs. Überall in der Stadt bildeten sich lokale Initiativen und Nachbarschaftskollekte um der Gewalt etwas entgegenzusetzen. Der öffentliche Raum wurde mit Tanz, Musik, Theater und sozialen Projekten zurückerobert. Und die Politik half. Ehemalige FARC-Mitglieder nahmen an einer neuen Regierung teil.

Eines der herausragendsten und nachhaltigsten Leistungen brachte die Poesie zustande. Durch öffentliche Lesungen auf den Straßen, den Plätzen, den Parks und in den Straßencafés im Rahmen von Festivals sollte die Bevölkerung ihre Stadt wieder in Besitz nehmen.

„Ohne Waffe in der Hand, aber mit der Kraft der Poesie“, sagt Fernando Rendón, einer der Initiatoren des ersten Festivals, das ab 1991 jährlich stattfand und 2006 den Alternativen Nobelpreis erhielt.

Seit nunmehr 30 Jahren besuchen jedes Jahr herausragende Poeten die kolumbianische Stadt für 10 Tage – und finden dort bis zu 200.000 Zuhörerinnen und Zuhörer. Es ist ein Ruf, der mit der Sprache der Poesie die Herzen berührt und vielleicht seinen Teil dazu beitrug, dass der Jahrzehnte dauernde Bürgerkrieg 2016 beendet wurde.

Beendet wurden natürlich nicht negative strukturelle Probleme wie die offene Landfrage, die Menschen in die Stadt treibt und nach wie vor für Unruhe sorgt. Armut und Ungleichheit machen den Frieden in Medellín zu einem zerbrechlichen Gut. Doch das, was die Menschen dort bisher erreicht haben, stimmt zuversichtlich.

Man tut sich schwer, angesichts der schlechten Nachrichten, die uns aus jeder Zeitung, jedem Bildschirm entgegenbrüllen, diese Transformation zu verstehen. Dass man sie als Wunder bezeichnet, versteht man schon leichter. Was sagt das über unser Menschenbild, wenn wir den Sieg der Gewaltlosigkeit nicht verstehen? Jedenfalls zeigen die Ereignisse in Medellín, dass der Wandel möglich ist. Ob in Lateinamerika oder hier bei uns.

Karl Wagner