Freitag, 17. November 2017

Im Zweifel für den Angeklagten



Seit ich denken kann, war die Regel "Im Zweifel für den Angeklagten" ein ehernes Gesetz unseres Rechtsstaates. Keine politische Partei, keine Interessensvertretung, keine Organisation welcher Art auch immer, zweifelte diesen Satz an. Ja, wenn eine Anschuldigung in der Zeitung stand, schadete das demjenigen. Die Volksmeinung war immer schon leicht für Vorverurteilungen zu gewinnen. Aber niemals gaben sich Justiz und Politik dafür her. Nicht in letzter Konsequenz. Jede/Jeder hatte das Recht und die Möglichkeit, sich zu rehabilitieren.


So war es all die Jahre. Ich wusste, es gibt die Politik, die ehrliche, gerechte Gesetze erlässt, es gibt die Justiz, die ihnen Geltung verschafft, und es gibt die Polizei, dein Freund und Helfer. Diesen drei Pfeilern durfte ich immer vertrauen. Das lernte ich in der Schule und das erfuhr ich auch.
Freilich gab es Korruption. Es gab die ehemaligen Nazibonzen, die aus den Schaltkreisen der Macht entfernt werden mussten. Eine lange und schmerzhafte Prozedur, bei der die Grünen übrigens große Treiber waren. Es gab auch Ungerechtigkeit. Wo gibt es die nicht? Aber immer gab es auch das Vertrauen, dass da jemand war, der das Schlimmste verhindern, der Recht - wirklich Recht - sprechen würde wenn es darauf ankam. Der die Schwachen beschützen würde.

Auch als sich rassistische Ansichten, noch unterschwellig geäußert und gefolgt von halbherzigen Entschuldigungen häuften, als Narzissten immer mehr überhand nahmen, als das Schüren von Neid und das Ausspielen der einen Armen gegen die anderen Armen immer trendiger wurde, gab es noch Hoffnung. Hoffnung, die aus dem Urvertrauen in die Demokratie und deren Institutionen entsprang. Ein Urvertrauen, das jemand wie ich, der sein bisheriges bereits ziemlich langes Leben in einem Rechtsstaat verbrachte, einfach hat.

Dieses Vertrauen ist brüchig geworden. Denn ab diesem Herbst ist es möglich, einem anerkannten Flüchtling den Asylstatus abzuerkennen, wenn dieser nur angeklagt und noch nicht verurteilt wurde. In unserem Staat, in unserem Österreich, dem ich immer vertraute, soll das Grundrecht "Im Zweifel für den Angeklagten" für eine bestimmte Gruppe von Menschen nicht mehr gelten. Das ist nicht Recht, sondern Unrecht. Was wird die Justiz, was wird die Polizei tun? Werden sie sich für das Unrecht einsetzen? Es exekutieren? Welche Gruppe kommt als nächstes?

Mit gutem Grund demonstrierte man gegen die Beteiligung Rechtsradikaler in der Regierung. Bei diesem Gesetz haben sie noch nicht einmal mitgewirkt.

Karl Wagner

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen