Werner Kogler und Rudi Anschober befinden sich
in einem historischen Umfragehoch. Auch mit allen anderen Regierungsmitgliedern
der Grünen herrscht Zufriedenheit in der Bevölkerung. Bisher – auch vor Corona –scheinen
die Grünen alles richtig gemacht zu haben. Die Arbeiten an den Themen, wegen
denen sie gewählt wurden, stehen zwar teilweise noch aus, aber die Zuversicht,
dass bezüglich Klimaschutz endlich wirksame Schritte gesetzt werden, lebt. Schließlich
ist das ein steiler, steiniger Weg, der da vor Leonore Gewessler liegt.
Und doch…
Im griechischen Flüchtlingslager Moria gibt es
weit über 1000 unbegleitete Kinder. Es gibt außerdem kaum Zugang zu sauberem
Wasser oder medizinischer Hilfe.
Klimapolitik ist Friedenspolitik. Schon jetzt
ist die Klimakrise an der Entstehung von Kriegen beteiligt. Kriege um
fruchtbares Land, das immer weniger wird. Wird nichts getan, um das Klima zu
stabilisieren, werden große Teile der Erde unbewohnbar. Die bevölkerungsreichsten
Städte stehen an Küstengebieten. Die dortigen Bevölkerungen werden ihre Heimat
verlieren. Wo werden sie hingehen? Schon jetzt ist die Katastrophe weithin
sichtbar. Pazifische Inselstaaten wie Kiribati sind am Versinken. Aber so weit
muss man gar nicht gehen. In Österreich gab es allein im Jahr 2018 Dürreschäden
in der Höhe von 230 Millionen Euro, 2019 waren es mehr als 100 Millionen. Und
die Hitzetoten haben die Verkehrstoten längst überflügelt. Im Westen
Österreichs häufen sich indessen die Murenabgänge, Überflutungen und Stürme.
Menschen verlieren ihr Hab und Gut. Das alles passiert jetzt. Was wird in 10,
20 Jahren sein, wenn wir weiterhin untätig bleiben? Und wenn wir in Europa alle
Hände voll mit unseren eigenen Klimakatastrophen zu tun haben werden, was wird
mit den Flüchtlingen, die dann zu Hunderttausenden, ja vielleicht zu Millionen
vor unseren Grenzen stehen werden? Das sind Gründe, die Klimaschutzmaßnahmen
wichtiger als alles andere machen. Die Grünen sehen das und handeln konsequent. Als
sich ihnen die Chance bot, ihr wichtigstes Anliegen, das das wichtigste
Anliegen der ganzen Menschheit sein sollte, zu verfolgen, ergriffen sie sie.
Koste es, was es wolle.
Und doch…
Danae Papadopoulou, Psychologin, arbeitet für
Ärzte ohne Grenzen. Sie erzählt von Kindern, deren Entwicklungsschritte
rückwärts verlaufen, seit sie im Lager verharren. Die aufhören zu sprechen, zu
spielen und zu essen. Von Kleinkindern, die den Kopf auf den Boden schlagen,
die sich in die eigenen Arme beißen oder das Haar ausreißen. Papadopoulou sagt,
die Zahl der Suizidversuche in Moria sei dramatisch gestiegen. Sie und ihre
Kollegen sprechen mittlerweile von einer "mental health crisis" in
Moria. Von einem Ausmaß an seelischer Not, dem sie sich nicht mehr gewachsen
fühlen.
Unser Bundeskanzler sagt, es komme nicht in
Frage, dass Österreich auch nur ein einziges Kind aufnimmt. Es hat schon genug
getan. Gnadenlos und unbarmherzig muss man sein, will man die Wählerinnen und
Wähler vom rechten Rand bei Laune halten. Oder macht er das aus Überzeugung?
Türkis als Partner ist ein hartes Los. Eine Wohlfühlkoalition
ist das nicht. Aber das wussten wir ja.
Karl Wagner
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