Samstag, 26. Januar 2019

Gedanken zum Holocaust-Gedenktag am 27. Jänner


Mein Geburtsjahr ist 1952. Glück gehabt. 15 bis 20 Jahre früher und ich hätte des ganze Drama der Naziherrschaft mitgemacht.

Stattdessen durfte ich in Frieden, Sicherheit und Freiheit aufwachsen. Das gewährleistete eine Politik, die faire, gerechte Gesetze erließ, eine Justiz, die ihnen Geltung verschaffte und eine Polizei, die uns Freund und Helfer war. Diesen drei Pfeilern durfte ich immer vertrauen. Das lernte ich in der Schule und das erfuhr ich auch.
Freilich gab es Korruption. es gab die ehemaligen Nazibonzen, die mühsam und gegen Widerstände aus der Politik entfernt werden mussten. Es gab auch Ungerechtigkeit. Auch faschistisches Gedankengut lebte und lebt heute noch. Aber immer gab es das Vertrauen, dass da jemand war, der das Schlimmste verhindern, der Recht - wirklich Recht - sprechen würde, wenn es darauf ankam.
Auch als sich rassistische Ansichten, noch unterschwellig geäußert und gefolgt von halbherzigen Entschuldigungen häuften, als das Schüren von Neid und das Ausspielen der einen Armen gegen die anderen Armen immer trendiger wurde, gab es diese Hoffnung.
Eine Hoffnung, die dem Urvertrauen in die Demokratie und deren Institutionen entsprang. Ein Urvertrauen, das jemand wie ich, der sein bisheriges Leben in einem Rechtsstaat verbrachte, einfach hat.

Und heute?
  • Heute sind libysche Warlords die Freunde, und Ärzte ohne Grenzen die Gegner.
  • Heute will unser Innenminister Flüchtlinge in großen Lagern "konzentrieren".
  • Heute spricht unser hübscher Herr Bundeskanzler, es werde ohne hässliche Bilder nicht gehen. Mir fällt da der Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" ein. Wie hässlich mag das Porträt auf seinem Dachboden inzwischen wohl sein?
  • Heute werden individuelle Straftaten auf ganze Ethnien übergewälzt.
  • Heute sagt unser Innenminister, der der Hüter des Rechts sein sollte, dass das Recht der Politik zu folgen habe.
  • Heute fordert ein Landespolitiker die Abschaffung der Volksanwaltschaft.
  • Heute werden Migrantinnen und Migranten als Höhlenmenschen bezeichnet.
  • Heute wird die Arbeit der Caritas und all jener, die Barmherzigkeit noch als Tugend sehen als Asylindustrie bezeichnet.
  • Heute werden Arbeitslose als Durchschummler bezeichnet.
  • Heute werden Richterinnen und Richter angegriffen, wenn sie Urteile sprechen, die nicht regierungskonform sind. 
  • Heute werden die freien Medien angegriffen, wenn sie kritisch berichten.
  • Heute befinden sich rechtsradikale Burschenschafter in Regierungsämtern.
  • Heute passiert das, was wir vor 100 Jahren schon hatten. Die Vorbereitung auf eine Diktatur.
  • Und mein Vertrauen ist brüchig geworden.

Wer das Unrecht nicht verhindert, wenn er es kann, der fördert es.
Wer schweigt, ist einverstanden.
Also schweigen wir nicht.
Sagen wir unsere Meinung laut und deutlich.
Solange wir das noch können, ohne bedroht zu werden.
Wie die NGOs, die Menschen aus dem Meer retten.
Wie die freie Presse.
Wie der ORF.
Denn wenn wir nicht aufpassen, wird der Tag kommen, an dem wir wieder sagen müssen:
"Das haben wir nicht gewusst".
Aber das wird eine Lüge sein.
Denn wir werden es gewusst haben.

Karl Wagner

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