Samstag, 22. Februar 2020

Die Banalität des Bösen



Wenn sie geboren werden, erblicken sie nicht das Licht der Welt. 
Kein duftendes Gras, keine Blumen, keinen kühlenden Wind in der Sonne unter einem blauen Himmel. 
Kein übermütiges Spiel im Bewusstsein von Sicherheit und Frieden. 
Nur Eisenverschläge rundum, Gestank, Einsamkeit und Dunkelheit. 
Angst kommt dazu, sobald sie in die Viehwagen gepresst werden. 
Ohne Wasser, ohne Platz zum Ruhen, dicht gedrängt um die Fahrt rentabel zu halten geht es zur Schlachtbank. 
Manche sterben während der Fahrt. Eine Gnade. 
Bei der Ankunft am Schlachthof ist bereits das Todesgebrüll der Verendenden zu hören. 
Sie wissen nicht, warum ihnen das alles angetan wird. 
Panische Angst. Verlassenheit, Verzweiflung, Tod. 
Ihr kurzes Leben ist ein einziges, langes, qualvolles Sterben.

„Das Kalbsschnitzerl und ein Bier bitte“, sagt der Gast. „Sehr gerne“, antwortet höflich der Kellner. Die Tischtücher sind blitzsauber und blütenweiß. Die Strahlen der Sonne, die beim Fenster herein scheint, brechen sich im spiegelblanken Besteck. Zufrieden sieht der Gast hinaus, während er einen kräftigen Schluck vom inzwischen servierten Bier nimmt. Er isst gerne hier. Die Portionen sind riesig und trotzdem spottbillig. Was will man mehr?

Karl Wagner

1 Kommentar:

  1. Die Problematik (und der Wahnsinn) wird in diesem Video sehr gut erklärt: https://youtu.be/cF9vJ48w4wU

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