Dienstag, 1. Dezember 2020

Freie Wahl?

Kleine Landwirte (und in Österreich sind, im EU- und im internationalen Maßstab die allermeisten Landwirte klein), insbesondere solche, die umweltschonend, nachhaltig und vielleicht biologisch produzieren, haben gegenüber dem globalen Lebensmittelhandel, der industriellen Nahrungsmittelproduktion und gegenüber der Einkaufsmacht großer Supermarktketten einen extrem schweren Stand. Tiere werden zwischen dem Ort ihrer Geburt, ihrer Mast und ihrer Schlachtung hin und her gekarrt, Dünger, Futtermittel, aber auch Obst, Gemüse, Käse, Joghurt oder Fleisch werden quer um die Welt geschippert, Erntehelfer arbeiten unter sklavenartigen Arbeitsbedingungen in Südeuropa. Die rücksichtslose Ausbeutung von Menschen, Tieren, der Natur und von Rohstoffen finden in den Preisen keinen Niederschlag. Und dagegen sollen sich dann die Produkte kleinerer, nachhaltig produzierender Landwirte durchsetzen?

Besonders Bergbauern in ungünstigen Lagen haben besonders zu kämpfen. Dabei ist ihre Arbeit auch als Erhalter unserer Bergwiesen und Almen, unserer Kulturlandschaft, in der wir gerne Wandern und unseren Urlaub verbringen, extrem wichtig. Sie ist wichtig, um ein Zuwachsen von Wiesen oder ein Abrutschen von fruchtbarem Boden bei Starkregen oder der Schneeschmelze zu verhindern. Sie ist wichtig, um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Und sie ist wichtig, um das Wissen zu erhalten, mit welchen Tierrassen und Pflanzensorten, mit welchen Arbeitsmethoden eine nachhaltige Landwirtschaft mit der Natur und nicht gegen sie möglich ist. Dafür erhalten sie zwar spezielle Förderungen, aber insgesamt führt das dazu, dass sie den Großteil ihres Einkommens nicht aus dem Verkauf ihrer Produkte, sondern aus diesen Subventionen erzielen und so noch abhängiger von Situationen  werden, die sie nicht beeinflussen können.

Wenn es darum geht, solche lokalen, schonend arbeitende Landwirte zu unterstützen, hört man oft, es läge an der Macht der Konsumenten, dies im Lebensmittelgeschäft durch ihre Kaufentscheidung zu tun. Das ist sicher ein wichtiger Punkt für den individuellen Bewusstseinswandel und ein nachahmenswertes Beispiel. Aber es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die „freie Wahl aufgeklärter Konsumenten“ allein wird an der Benachteiligung der kleinen, naturschonend arbeitenden Landwirte nichts ändern können.

Denn die „freie Wahl“ der Konsumenten im Supermarkt existiert nicht, so lange für viele Menschen der Preis von Lebensmitteln eine entscheidende Rolle spielt. Die ungleichen Preise zwischen Lebensmitteln aus Massenproduktion oder Biolandwirtschaft (obwohl die Unterschiede nicht so groß sind wie oft behauptet) kommen daher, dass der vielbeschworene „freie“ Markt eben nicht frei ist. Er wird durch die Globalisierung, durch unfaire Förderungen, ungleiche Umwelt- und Sozialstandards und durch Vergesellschaftung von Umweltkosten massiv verzerrt. Wie der jüngste Fall Christian Bachlers zeigt, ist die ohnehin ungenügende Subventionierung kleinstrukturierter Landwirtschaft als Landschaftspfleger und -erhalter, die kleine Bauern in die totale Abhängigkeit treibt, der falsche Weg. Vielmehr gehörte global der Ressourcenverbrauch der großindustriellen Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion entsprechend bepreist und Chancen- und Kostengleichheit auf diesem Weg hergestellt. Und wo das global nicht geht, dann eben mit Umweltzöllen, um die umgangenen Umwelt- und Sozialkosten auf diese Art abzuschöpfen. Siehe dazu auch hier und hier. Abschließende Hintergrundinformationen zum Fall Bachler gibt es hier.

Etwa 3,7 Prozent aller Erwerbstätigen arbeiten in Österreich in der Landwirtschaft. Ihr direkter politischer Einfluss ist entsprechend winzig, und er bliebe auch gering, selbst wenn sich die Bauern an den Wahlurnen von einem falsch verstandenen Konservativismus befreien könnten. Dem gegenüber haben die schwarz/türkis dominierten Landwirtschaftskammern und die Lobbyisten der Agrar- und Lebensmittelindustrie einen vielfach größeren Einfluss. Allein hier wird schon erkennbar, wer jetzt an der Landwirtschaft die Gewinner und wer die Verlierer sind.

Ja, wir, die Endverbraucher haben schon eine Wahl: Bei jeder Gelegenheit an der Wahlurne, und auch zwischendurch können wir im Rahmen unserer individuellen Möglichkeiten Druck auf die Politik machen, um die Spielregeln zu ändern. Und wir können, auch wenn das allein nicht viel hilft, im Geschäft trotzdem lokal und naturschonend erzeugten Lebensmitteln den Vorzug geben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen