Freitag, 30. September 2022

Blackout in unserer Nachbargemeinde - und bei uns?

Foto: Wiener Neudorf

Vorab: Eine sehr informative, über 90 Minuten dauernde Veranstaltung, die zeigte, wie professionell und umfassend unsere Nachbargemeinde auf einen Blackout vorbereitet ist und wie gut die Bevölkerung darüber informiert werden kann.

Bericht von der Informationsveranstaltung „Blackout“ in Wiener Neudorf am 28.9.2022

Nach einer Begrüßung durch Bürgermeister Janschka und  einer allgemeinen Einführung ins Thema durch den  Sicherheitsreferenten im Gemeinderat Wr. Neudorf erläuterte der Regionalleiter des Zivilschutzverbands, wie ein Blackout erkannt und von einem normalen Stromausfall abgegrenzt werden kann, und wie wichtig ein netzunabhängiges Radio zum Empfang von Ö3 sei. Ö3 ist nämlich der einzige ORF- Radiosender, der österreichweit mit Notstromversorgung ausgestattet ist und daher für die regionale und nationale Information eine wichtige Rolle spielt. Er erläuterte, wie sich der mehr oder weniger sofortige Ausfall aller Kommunikationsnetze, etwa von Telefon, Fernsehen und Internet, von Bankautomaten, Verkehrsampeln, Tankstellen, von Straßenbahnen und Eisenbahnzügen, Garagentoren, Aufzügen, den Kassensystemen im Supermarkt, der Versorgung mit Medikamenten, von Zentralheizungen, der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, von Handel und Produktion auf uns auswirken würde. Der Ausfall mobiler Pflegedienste, von Essen auf Rädern usw. wäre durch Nachbarschaftshilfe zu kompensieren. Er erklärte die umfangreichen Aufgaben des Krisenstabs der Gemeinde, die im wesentlichen in der Aufrechterhaltung der kommunalen Infrastruktur besteht. Die Bevölkerung hat sich im familiären Umfeld  durch entsprechende Bevorratung von Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten, durch Schaffung einer Kochmöglichkeit und die Beseitigung von Stolperfallen in der Wohnung auf einen Notfall vorzubereiten. Bei einem Stromausfall sollten alle Kühlgeräte möglichst geschlossen bleiben und Stromverbraucher ausgeschaltet werden, um den Wiederaufbau des Netzes zu erleichtern, bis auf eine Lampe, um zu bemerken, wenn der Strom wieder da ist.  

Der Verbindungsoffizier des NÖ Militärkommandos erklärte, dass die Kaserne in Zwölfaxing für den Bezirk Mödling im Krisenfall zuständig ist. Er beschrieb die personelle und gerätemäßige Ausstattung und die vorhandenen Vorkehrungen für eine Aufrechterhaltung des Betriebs im Fall eines Blackouts, warnte aber gleichzeitig mehrmals, dass diese Ressourcen nur den Einsatzkräften des Bundesheeres und der Polizei zur Verfügung stünden und weder von Gemeinden noch von Privatpersonen direkt in Anspruch genommen werden könnten. Außerdem erklärte er die hierarchische Organisations- und Kommunikationsstruktur zwischen Zwölfaxing, der Bezirkshauptmannschaft und dem Militärkommande in St. Pölten, das auf Grund der einlangenden Lagebilder immer einen aktuellen Gesamtüberlick über das gesamte Bundesland hat. Diese Struktur setzt sich dann auf staatlicher Ebene fort. Auf Grund dieses landes- oder bundesweiten Gesamtüberblicks können dann Ressourcen entsprechend umverteilt werden. Er erklärte auch, wie er die Aufgabe einer Gemeinde und damit auch eines Bürgermeisters (oder einer Bürgermeisterin) als oberster Einsatzleiter vor Ort im Katastrophenfall definieren würde: „Die Marktgemeinde …..  als lokal verantwortliche Katastrophenschutzbehörde stellt nach einem Stromausfall im europäischen Übertragungsnetz durch geeignete Strukturen mit eigenen, vorbereiteten Ressourcen die Notversorgung der Bevölkerung im Gemeindegebiet sowie die Minimierung von Folgeschäden an der eigenen Infrastruktur bis zur stabilen Wiederinbetriebnahme des Wiener Verteilnetzes und der eigenen Anschlussversorgung sicher.“
Als besonders wichtig erwähnte er, dass der gemeindeeigene Krisenstab als Einsatzleitung automatisch und selbstständig den eigenen Betrieb für die Bevölkerung während der gesamten Krise aufrecht erhalten kann und dass vorbereitete und netzunabhängige Kommunikations- und Alarmsysteme zur Bezirkshauptmannschaft in Mödling vorhanden sind. Er betonte aber auch, dass nicht alles, was man nicht selbst vorbereitet hat, im Notfall auf von extern herbeigebracht werden kann und daher die rechtzeitige Eigenvorsorge und Bildung und Pflege entsprechender Nachbarschaftsnetzwerke extrem wichtig sei.

Ein Vertreter der Wiener Netze erklärte kurz die Struktur des gesamten europäischen Stromnetzes mit seinen komplexen Überwachungs- und weitgehend autonom arbeitenden Regeleinrichtungen, die im Fall von krisenhaften Entwicklungen durch manuelle Eingriffe ergänzt werden, sowie die im Netz eingebauten Redundanzen. Wichtig für uns ist, dass für uns in Simmering ein schwarzstartfähiges Kraftwerk zur Verfügung steht, das im Fall eines totalen Netzzusammenbruchs aus eigener Kraft wieder starten und so zumindest die Notversorgung einer isolierten, vom übrigen noch zusammengebrochenen Netz getrennten Versorgungsinsel aufbauen kann. Dadurch sollte im Versorgungsgebiet der Wiener Netze auch im Fall eines großflächigen Blackouts die Stromversorgung wieder innerhalb von maximal 48 Stunden sichergestellt werden können. Das bedeutet aber nicht, dass damit auch alle Folgewirkungen des Blackouts, die auch außerhalb des Versorgungsgebiets aufgetreten sind, behoben wären.

Danach sprach ein Vertreter der EVN Wasser. Er erklärte, wie EVN das Wasser bis zu Übergabepunkten an die Gemeinde liefert, ab dort ist dann die Gemeinde für die weitere Verteilung und Verrechnung zuständig. Er beschrieb den Weg des Wassers von den Quellen über verschiedene Hochbehälter zum Pumpwerk Achau. Bei durchschnittlichem Wasserverbrauch könnte Wr. Neudorf ohne Pumpen bis zu 48 Stunden versorgt werden. Aber weil sich der Wasserverbrauch bei einem Blackout reduzieren wird, würde das in der Praxis voraussichtlich länger möglich sein. Danach würde ein Notstromaggregat im Fall eines Blackouts sicherstellen, dass der erforderliche Druck bis zu den Übergabepunkten der Gemeinde vorhanden ist.

Der Landesinnungsmeister der Rauchfangkehrer sprach über die Be- und Entlüftungsmaßnahmen von Notstromaggregaten, die in oder in unmittelbarer Nähe von Gebäuden in Betrieb genommen werden. Er erklärte auch die zu beachtenden Vorschriften für die Lagerung von Treibstoffen für ein Notstromaggregat oder Flüssiggas für Notkochstellen.

Der Leiter des Bauamts Wiener Neudorf kam zunächst nochmals auf die Wasserversorgung zurück und wies darauf hin, dass die Gemeinde, solange EVN Wasser liefert, auch ohne Strom alle Hausanschlüsse versorgen könnte, mehrgeschossige Wohnhäuser aber eventuell über eine Drucksteigerungsanlage für die Versorgung der oberen Stockwerke verfügen, die im Fall eines Stromausfalls nicht mehr funktionieren würde. Die Regenwasserkanäle arbeiten nur auf Grund des Gefälles, also ohne Stromversorgung. Für die Abwasserkanäle stellen Pumpwerke die Abfuhr sicher, die teilweise mit fix integrierten Notstromversorgungen ausgestattet sind oder an vorhandene mobile Notstromaggregate angeschlossen werden müssten. Die Kläranlage Mödling (an die auch wir angeschlossen sind) könnte 84 Stunden den Betrieb ohne Strom aufrechterhalten, danach würden die Abwässer ungeklärt abgeführt. Häuser, die ein eigenes Pumpwerk in Betrieb haben, müssten im Falle eines Stromausfalls selbst für einen Notbetrieb sorgen. Die Abfallentsorger könnten den Betrieb zwei Wochen aufrechterhalten. Sämtliche Verkehrsampeln würden sofort ausfallen. Neue Garnituren der Badner Bahn könnte nach einem Stromausfall noch bis zur nächsten Haltestelle fahren, ältere Garnituren würden mit dem vorhandenen Schwung noch bis zu einer geeigneten Ausstiegsstelle kommen.

Den letzten Beitrag lieferte der Leiter der Stabsstelle Katastrophenschutz der Gemeinde Wr. Neudorf, der für die Aufrechterhaltung des Betriebs aller gemeindeeigenen erforderlichen Ressourcen und Gemeindeobjekte und auch für den Katastrophenschutz im gesamten Gemeindegebiet und die Katastrophenvorsorge zuständig ist. Die Stabsstelle hält im Krisenfall Verbindung mit allen Blaulichtorganisationen, zu Nachbargemeinden und zur Beziurkshauptmannschaft.

Wr. Neudorf verfügt über vier notstromversorgte Sirenen und die Möglichkeit von Lautsprecherdurchsagen. Es ist Vorsorge getroffen, dass nach Eintreten eines Notfalls alle Kinder von Schule, Hort oder Kindergarten abgeholt werden und bis dahin betreut werden. Die Information der Bevölkerung erfolgt über 10 Litfaßsäulen, an denen mindestens einmal täglich Informationen aktualisiert werden. Dort würde im Fall eines Problems mit der Wasserversorgung (die nichts mit Stromausfall zu tun hat) Nutzwasser abgegeben, dass zum Trinken dann noch abgekocht werden müsste. In der Gemeinde sind 60 batteriebetriebene Funkgeräte auf einer eigenen, von der Gemeinde gekauften Frequenz in Betrieb, über die Gemeindemitarbeiter auch im Normalfall ständig intern kommunizieren und die natürlich auch im Fall einer Katastrophe im Einsatz wären. Eine erste Anlaufstelle für die Bevölkerung Wiener Neudorfs wäre bei einem Blackout der große Saal im Freizeitzentrum, der über eine Notstrombeleuchtung verfügt, eine weiters Kommunikationszentrum wäre das Gemeindeamt. Das Feuerwehrhaus würde für sämtliche Einsatzorganisationen als gemeinsame Einsatzzentrale dienen. Abschließend empfahl er, jede Familie sollte sich für den Katastrophenfall Treffpunkt vereinbaren wo sich alle Familienmitglieder zusammenfinden können, und wies auf die Wichtigkeit der Nachbarschaftshilfe und des Zusammenhalts hin.

Insgesamt: Eine sehr informative, über 90 Minuten dauernde Veranstaltung, die zeigte, wie professionell und umfassend unsere Nachbargemeinde auf einen Blackout vorbereitet ist und wie gut die Bevölkerung darüber informiert werden kann. Eine Videoaufzeichnung der gesamten Veranstaltung ist hier abrufbar.

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