Montag, 7. November 2016

Das Goldene Kalb BIP und Lebensqualität


Das Bruttoinlandsprodukt (BIP, auf Englisch Gross Domestic Product, GDP) wird immer noch, vor allem von neoliberalen Ökonomen, als ausschließlicher Indikator für die Leistung von Volkswirtschaften herangezogen. Es misst allerdings nur den Geldwert aller produzierten Leistungen. Deshalb erhöhen zum Beispiel auch Autounfälle, Krankheitsepidemien und Naturkatastrophen das BIP, weil zu deren bloßer Kompensation weitere Güter und Dienstleistungen erbracht werden müssen.

Ein besserer Wohlstandsindikator ist der GPI (Genuine Progress Indicator), der auch die Schädigung
des Ökosystems durch menschliche Aktivitäten und damit auch deren Nachhaltigkeit berücksichtigt. So liegt das Wachstum des GPI bei Null, wenn dem gemessenen Wachstum des BIP gleich hohe offene oder verdeckte Kosten wie Umweltschäden, Kriminalität oder abnehmende Gesundheit gegenüberstehen. Damit ist der GPI ein weit besserer Indikator für die Entwicklung von Wohlstand, Lebensqualität und Wohlbefinden als das Bruttoinlandsprodukt. Die Daten für europäische Länder und die USA zeigen, dass der durch den GPI berechnete Wohlstandsgewinn deutlich hinter der Steigerung des Bruttoinlandsprodukts zurückgeblieben ist. In den USA zeigte der GPI im Zeitraum 1975 bis 1995 sogar einen starken Rückgang von 45 Prozent.

Die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, Der Club of Rome, der WWF und die OECD haben 2007 begonnen, unter dem Titel „Beyond GDP“ geeignete Indikatoren für die Messung des Wohlstands zu erarbeiten. Als Ergebnis wurde 2009 ein Strategiepapier unter den Titel „Das BIP und mehr: die Messung des Fortschritts in einer Welt im Wandel“ herausgegeben, in dem auch Maßnahmen zur Verbesserung der Objektivierbarkeit des Fortschritts vorgeschlagen wurden.  Das bisher letzte Resultat dieser Entwicklung ist der Bericht der Boston Consulting Group „The Private-Sector Opportunity to Improve Well-Being: THE 2016 SUSTAINABLE ECONOMIC DEVELOPMENT ASSESSMENT“.

Die 10 Wohlstandsindikatoren der Boston Consulting Group
Eine konsequente Weiterentwicklung dieser Überlegungen führt geradewegs zur Gemeinwohlökonomie. Diese geht über die Messung von Wohlstand und Lebensqualität auf globaler oder nationaler Ebene hinaus. Sie regt auch die Erarbeitung von Indikatoren zur Messung der Lebensqualität bis hinunter auf Gemeindeebene an und macht konkrete Vorschläge, gemeinwohlförderndes wirtschaftliches Handeln zu belohnen und gemeinwohlschädigendes Verhalten zu sanktionieren. Durch eine Gemeinwohl- Bilanz wird unternehmerische Energie auf jene Bereiche gelenkt, die auch im Privaten angestrebt werden. Damit überwindet die Gemeinwohlökonomie das Grundproblem der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung: Die Verwechslung von Ziel (Gemeinwohl) und Mittel (Geld).

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