Freitag, 8. September 2017

Europa- was sonst?

Vortrag: professor Pelinka vor Publikum
Was die EU kann und was sie nicht kann- Vortrag und Diskussion mit UnivProf.Dr. Anton Pelinka

Am 7. September fand im Pfarrzentrum Wiener Neudorf dieser interessante Vortrag mit anschließender Diskussion statt. Prof. Pelinka startete damit, dass er Europa in der ersten und in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts miteinander verglich und beschrieb, wie vor allem Frankreich und Deutschland, aber auch die anderen Gründungsmitglieder die Montanunion als Vorläufer der EU gründeten – und zwar aus der Überlegung heraus, dass das Wohlergehen der Partner auch ihren eigenen Ländern nützten würde. Aus dieser Gründungsintention habe sich notwendig ergeben, die EU als „neues Europa“ zu gestalten, in dem die verheerenden Folgen nationalstaatlicher Partikularinteressen (zwei Weltkriege, Holocaust) in Zukunft vermieden werden müssten. Diese wesentlichen Zielsetzungen seien auch mit 72 Jahren ohne interne kriegerische Konflikte, dem gigantischen Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg und einem bisher noch nie dagewesenen Wirtschafts- und Wohlstandsaufschwung für breite Bevölkerungsschichten erreicht worden. Er stellte auch heraus, wie vom Anfang weg bis heute die politischen Machtzentren der EU de facto durch eine große Koalition aus gemäßigten linken und rechten Parteien gebildet wurden und dass oppositionelle nationale Parteien, die zunächst die EU ablehnten, zu deren Befürwortern wurden, sobald sie in ihren Nationalstaaten an die Macht gelangt waren.

Danach verglich er die heutige, vielfältige EU mit den USA, aber auch mit der kleinen Schweiz und dem riesigen Indien – letztere beides Bundesstaaten, die sich aus vielsprachigen, multikulturellen Entitäten herausgebildet haben. Er stellte aber auch den Unterschied zwischen Nationalstaaten und der heutigen EU heraus: Dass die EU zwar äquivalente Instanzen zu nationalen Parlamenten, Regierungen, Höchstgerichten und Notenbanken besitzt, aber derzeit kaum vergleichbare Möglichkeiten hat, die Einhaltung rechtsgültig getroffener Vereinbarungen intern auch tatsächlich durchzusetzen.

Anschließend kam die bisherige Erweiterung und Vertiefung der EU zur Sprache; erstere bezeichnete Prof. Pelinka als weitestgehend abgeschlossen. Bei der politischen Vertiefung sei aber noch großer Handlungsbedarf gegeben, um negative Auswirkungen unseres konkurrenzorientierten Wirtschaftssystems auf das Wohl der Bevölkerung abzumildern und die derzeitige Dominanz globaler wirtschaftlicher, aber auch nationalstaatlicher Einzelinteressen gegenüber dem Gesamtwohl zurückzudrängen. Hier wurde in der abschließenden Diskussion vor allem die noch fehlende Vertiefung  zu einer Sozial- und Steuerunion angesprochen. Professor Pelinka räumte zwar die Größe dieser Probleme und den wahrscheinlichen Zeitbedarf bis zu deren Überwindung ein,  zeigte sich aber trotzdem optimistisch, dass die EU nach dem „Bohren vieler dicker Bretter“ auch diese Schwierigkeiten überwinden werde.

Für etwa 200 Teilnehmer ein sehr interessanter Abend!

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