Wuhan - die Hauptstadt der Provinz Hubei in China kennt wohl die ganze Welt.
Eine trauriger Anlass, berühmt zu werden. Auch das unfreiwillige Heldentum des
Arztes Li Wenliang ist kein Ruhmesblatt für die chinesische Autokratie.
Andererseits kann China stolz darauf sein, die Pandemie in Wuhan relativ rasch
wieder unter Kontrolle gebracht zu haben.
Doch die
Siegesmeldungen des chinesischen Staates sind noch nicht verhallt, da steigt
bereits die Ungewissheit. Wie hoch ist die Zahl der Corona-Toten wirklich?
Was geschah
während der dunklen Stunden des Lockdowns wirklich?
Man vernimmt,
dass Mitarbeiter in den Krematorien ausgetauscht wurden. Kritische Blogger
sollen verschwunden sein.
Das Huanan
Seafood Market, wo das Virus auf den Menschen übergesprungen sein soll, ist mit
Trennwänden abgesperrt.
Es ist still in
Wuhan. Verdrängung? Angst? Leidensfähigkeit? „Wir Chinesen haben viele
Katastrophen erlebt, sie haben sich in unserer Seele festgesetzt, aber wir sind
hart im Nehmen und zäh im Erdulden“, sagt Hao Qun, ein Schriftsteller und
Regimekritiker, der seit Jahren nur noch im Ausland veröffentlichen kann.
Zäh im
Erdulden, aber auch unermüdlich im Helfen. Wie sich eben Menschen in allen
Teilen der Welt finden, die im Ernstfall über sich hinauswachsen. Wie Zhu Hai,
ein mittelloser Lebenskünstler. Graffiti-Sprayer und Hobbymusiker. Als Wuhan
abgeriegelt wurde, gründete er die Freiwilligengruppe „Kleines Licht“. Sie
schmuggelten Hilfsgüter in Krankenhäuser, weil Lkw die Checkpoints nicht
passieren durften. Sie waren eine Art Notfahrdienst. Privatleute aus dem ganzen
Land schickten Schutzmaterial und Nahrung. Zhu Hai und seine Organisation
verteilen sie an Krankenhäuser und Bewohner. Er und seine Leute waren nicht die
Einzigen. Es sollen sich an die hunderttausend Bürgerinnen und Bürger engagiert
haben. „Freiwillige wie wir sind Idioten“, sagt Zhu Hai. Er habe seine
Ersparnisse, mehr als tausend Euro, für die Benzinkosten seiner Mitstreiter
eingesetzt.
Auf die Frage:
„Und wenn die zweite Welle kommt?“, antwortete er: „sind wir wieder zur Stelle.
Wir sind Idioten, sag ich doch.“
Idioten wie in
Wuhan gibt es überall. Sie treten immer dann in Erscheinung, wenn sie gebraucht
werden. Ansonsten sind sie unauffällig, auch lästig. Unwichtig. Entbehrlich. Wie
der Hobbymusiker und Sprayer Zhu Hai.
Karl Wagner
Die Grundlage
dieses Beitrags ist ein Artikel der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ vom 29. April.
Der Reporter war Xifan Yang.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen