Dienstag, 10. Oktober 2023

Globaler Süden: Ausgeblendet.

85 Prozent aller Menschen leben im globalen Süden. Aber wir wissen fast nichts über sie und wie sie dort leben.

Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter am Goethe-Institut in Frankfurt hat die Berichterstattung über den globalen Süden im ORF im Juni 2022 analysiert, insgesamt etwa 120 Stunden Nachrichten in der „ZIB 1“ und etwa 3000 Beiträge auf den blauen Seiten des ORF. Weniger als zehn Prozent der Sendezeit und der Beiträge auf orf.at befassten sich mit dem globalen Süden. In diesem Zeitraum gab es dort Kriege in Äthiopien und im Jemen mit insgesamt fast einer Million Toten und eskalierende Gewalt im Karibikstaat Haiti wegen der anhaltenden humanitäre Krise. In Burkina Faso gab es einen Militärputsch, in Pakistan eine Jahrhundertflut mit 1700 Toten, in Peru die Ausrufung des Notstands wegen politischer Unruhen, die Zahl der Hungernden stieg auf fast 830 Millionen Menschen, und 619.000 starben an Malaria. Nigeria, der mit etwa 230 Mio. Einwohnern bevölkerungsreichste Staat Afrikas, wurde in lediglich 3 Beiträgen der ZIB 1 erwähnt, Dänemark mit knapp 6 Mio. Einwohnern hingegen wurde in 32 Berichten genannt.

Das ist keine Kritik am ORF allein. Ein ähnliches Bild zeigt sich in einer Langzeitstudie, in der u.a. mittlerweile fast 6.000 Sendungen der deutschen Tagesschau ausgewertet wurden. Dieses Muster der Berichterstattung ist für Ereignisse, die sich im Globalen Süden ereignen, deutlich weniger empfänglich als für Vorkommnisse, die im Globalen Norden stattfinden. 

 

Die überdimensionale Präferenz für Nachrichten aus dem Globalen Norden droht zu einer medialen Blindheit auch gegenüber schwersten humanitären Krisen und Katastrophen zu führen, die sich im Globalen Süden ereignen. Wir sollten den Nachrichtenwert eines Ereignisses primär nicht nach dem Ort, wo es sich ereignet hat, sondern nach seiner menschlichen Dimension bemessen. Es gilt, die Länder des Globalen Südens aus dem medialen Erinnerungsschatten zu holen und ihnen das Nachrichteninteresse bzw. die öffentliche Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, die ihnen zusteht.

Quelle mit weiteren Details
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