Sind Ihnen die täglichen Einkäufe zu Fuß oder mit Fahrrad in unseren Supermärkten zu mühsam und erledigen Sie diese daher meist mit dem Auto?
Haben Sie ihren Arbeitsplatz nicht im Ort, sondern in Wien oder in Nachbargemeinden? Ist der öffentliche Nahverkehr für Sie attraktiv genug, um ihren
Arbeitsplatz zu erreichen?
Haben Sie schon versucht, nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu abendlichen Konzert- oder Theaterbesuchen nach Wien zu fahren und dann festgestellt, dass zwar die Hinfahrt, aber die Rückfahrt am späten Abend wegen des frühen Betriebsschusses der Buslinien nicht mehr möglich ist?
Wie kommen Sie ohne eigenes Fahrzeug zu den Anschlussstellen der Wiener U-Bahn?
Wie schwierig ist es für BiedermannsdorferInnen, die mobilitätseingeschränkt sind oder kein eigenes Auto oder keinen Führerschein haben, einen Wintermantel in die Putzerei nach Mödling zu bringen oder dort einen Facharzt aufzusuchen?
Diese Fragen zeigen Mobilitätsprobleme auf, mit denen wir in Biedermannsdorf konfrontiert sind. Viele Menschen sehen im eigenen PKW die beste Lösung, ihren Mobilitätsbedarf zu befriedigen, oft mit mehr als einem Auto pro Haushalt. Diese Fahrzeuge stehen dann mehr als 23 Stunden täglich irgendwo herum oder stecken im Stau. Vor allem verursachen sie erhebliche Kosten, die meist übersehen werden. Ein durchschnittlicher privater PKW verursacht laufende Kosten von
monatlich mindestens 500 bis 600 Euro (bei etwa 20.000 km jährlicher Fahrleistung inklusive des Wertverlusts). Und selbst ein kleines Zweitauto, das neu gekauft wird, 10 Jahre in Betrieb ist und jährlich 8000 km gefahren wird, kostet allein für Wertverlust, Treibstoff und Versicherung etwa 150.- Euro im Monat - und da sind Reparaturen, Service, Reifen usw. noch gar nicht dabei.
Mobilität ist ein Querschnittthema, das koordinierte Lösung an vielen Ansatzpunkten erfordert. Das beginnt schon bei der Raum- und Ortsplanung.
Wie würde Biedermannsdorf etwa aussehen, wären die Supermärkte nicht am Ortsrand, sondern in unmittelbare Nähe der Jubiläumshalle, und hätte man dort auch den Postpartner und Räumlichkeiten für kleine Handwerksbetriebe oder Büros untergebracht? Die Supermärkte wären dann für viele EinwohnerInnen fußläufig oder mit dem Fahrrad leichter erreichbar und hätten zusammen mit Schule, Kindergarten, Kinderspielplatz, Jubiläumshalle und Gemeindeamt ein relativ kompaktes dörfliches Zentrum und einen attraktiven Ort der Begegnung ergeben. Über den Supermärkten hätte man ein Geschoß aufstocken und so einige Wohnungen unterbringen, den Flächenverbrauch optimieren und den Nutzungsmix erhöhen können. Allgemein: Wird durch entsprechende Planung das Verbleiben im Ort angenehmer gemacht, wird der Bedarf an Mobilität samt den damit verbunden Kosten und Umweltauswirkungen gesenkt und gleichzeitig Lebensqualität gewonnen.
Oder ein anderes Beispiel: Zwei schmale Verbindungswege zwischen Schönbrunner Allee und Johann Weghuberstrasse und zwischen Lindenstrasse und Wienerstrasse (im Bild grün eingezeichnet) würden es BewohnerInnen von Klosterstraße, Ahornstrasse, Johann Weghuberstrasse, Fliederweg oder Lindenstraße einfacher machen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu den Supermärkten zu kommen und könnten wahrscheinlich einige Autofahrten einsparen. (Niemand soll hier beunruhigt sein oder sich einer Enteignung ausgesetzt sehen. Der Vorschlag soll nur als Beispiel für eine generell bessere Planung von Fuß- und Radwegen dienen).
Vergleich unterschiedlicher Verkehrsmittel
Ein Fußgänger in Bewegung braucht eine Fläche von etwa 1m2, ein Fahrradfahrer 8m2, ein PKW 60m2.
Der Primärenergieverbrauch pro Weg für einen Fußgänger liegt bei null und steigt für ein Mittelklasseauto auf etwa 22MJ. Die durchschnittlichen Reisegeschwindigkeiten im urbanen Gebiet reichen von 4km/h für Fußgänger, 10-15km/h für Radfahrer, 16km/h für öffentliche Verkehrsmittel bis etwa 29km/h für den PKW.
Benzin- oder Dieselfahrzeuge, auch Hybridfahrzeuge, emittieren über ihren gesamten Lebenszyklus vier- bis zehnmal so viele Treibhausgase als rein elektrisch betriebene PKWs, die mit Strom aus regenerativen Quellen betrieben werden. >Quelle
Viele Jugendliche besuchen Schulen in Mödling oder Guntramsdorf. S-Bahn in Mödling, U-Bahn Endstellen in Siebenhirten oder Favoriten und die Badner Lokalbahn in Wiener Neudorf bieten gute Verbindungen nach Wien, sind aber mit Öffis nur unter Beachtung ausgedünnter Busfahrpläne zu erreichen. Gäbe es gut ausgebaute Wege für den Alltagsradverkehr zu diesen Orten, könnten viele Strecken zumindest im Sommer öfter mit dem Rad zurückgelegt werden. Dies würde aber eine bessere Kooperation der beteiligten Gemeinden erfordern. Ein hochrangiger Radweg von Mödling über Wiener Neudorf und Biedermannsdorf weiter nach Achau wurde im Rahmen des „Mobilitätskonzepts Niederösterreich 2030“ geplant und dessen Umsetzung mit Toppriorität eingestuft. Biedermannsdorf war in diese Planung eingebunden, ist aber später ausgestiegen.
Alltagsradverkehr ist vom Freizeitradverkehr strikt zu unterscheiden. Bei ersterem geht es darum, möglichst schnell und sicher von A nach B zu kommen, bei letzterem stehen Fitness und Freizeitvergnügen im Vordergrund. Der Radweg entlang des Mödlingbaches ist für den Alltagsradverkehr viel zu schmal und durch enge, unübersichtliche Kurven, die gemeinsame Nutzung mit Fußgängern und die fehlende Beleuchtung zu unsicher.
Nützen statt besitzen – Carsharing
Ein durchschnittlicher privater PKW steht täglich etwa 23 Stunden herum, in denen er teilweise knappen, öffentlichen Parkraum beansprucht. Der ökologische Fußabdruck allein für seine Produktion ist exorbitant. Und sein größter Kostenfaktor für den Eigentümer ist der laufend eintretende Wertverlust, auch wenn er nur wenig gefahren wird. All das zusammen sollte dafür sprechen, PKWs nicht zu kaufen, sondern nur bei Bedarf zu verwenden. Carsharing geht in genau diese Richtung. Noch besser, wenn dazu rein elektrisch betriebene PKWs verwendet werden. Insofern ist die Einführung von eCarregio in Biedermannsdorf ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Allerdings: Ein einziges Carsharing- Fahrzeug im Ort, das noch dazu in einem bestimmten Ausmaß von der Gemeinde selbst in Anspruch genommen wird, wird kaum eine Familie veranlassen, auf ein eigenes (Zweit-) Auto zu verzichten. Dazu sollten sich nicht mehr als 10-15 potentielle Nutzer ein Fahrzeug teilen müssen. Und BewohnernInnen ohne Führerschein ist damit auch nicht geholfen.
Wir schlagen daher vor, nach der Einführung von eCarregio und entsprechender Information der Bevölkerung die Flotte an Carsharing- Fahrzeugen zu erweitern und eventuell durch einen Fahrtendienst zu ergänzen, der auch Personen ohne eigenem Führerschein (z.B. Jugendlichen, Senioren) ein zusätzliches Mobilitätsangebot bietet. Derartige Systeme sind bereits in etlichen niederösterreichischen Gemeinden erfolgreich im Einsatz.
Übrigens: Wäre es nicht möglich gewesen, z.B. Prime Invest, die in den oberen Krautgärten 68 Mietwohnungen errichtet hat, zu verpflichten, den zukünftigen Mietern mindestens 5 e-Carsharing Fahrzeuge inkl. Infrastruktur für Buchung und Ladung zur Verfügung zu stellen? Ein solches Modell, das es bereits in Gleisdorf und Wien gibt, hätte 20 bis 25 Familien ermöglicht, sich die Kosten für ein eigenes (Zweit-) Auto zu sparen und Carsharing und e-Mobilität in Biedermannsdorf einen kräftigen Schub gegeben.
Zusammenfassung und Ausblick
Alle hier formulierten was-wäre-wenn-Fragen und Ideen sind keine persönliche Kritik an früheren Entscheidungsträgern. Sie sollen aber Anlass sein, für Biedermannsdorf ein multimodales, den Bedürfnissen aller Bewohner Rechnung tragendes Mobilitätskonzept zu entwickeln, laufend zu optimieren und umzusetzen. Es muss mit einem langfristigen Ortsentwicklungskonzept, dem VOR- Netz (Verkehrsverbund Ost-Region) und Nachbargemeinden abgestimmt sein und dazu beitragen, Österreichs Verpflichtungen im Rahmen des Klimaschutzvertrages schnellstmöglich zu erfüllen.
Jeder Einzelne sollte seinen Mobilitätsbedarf laufend in Frage stellen, die zu seiner Deckung anfallenden monetären und ökologischen Kosten abwägen und sich immer wieder fragen, inwieweit der persönliche Lebensstil negative Auswirkungen auf die eigenen Enkel, die Menschen in anderen Erdteilen und die Natur insgesamt hat.
Autonom fahrende Fahrzeuge verschiedener Anbieter werden längerfristig die Zubringerfunktion zu hochrangigen Massenverkehrsmitteln erfüllen, in Ballungsräumen die meisten individuellen PKW- Fahrten ersetzen, Staus und Parkprobleme lösen und einen Rückbau von Verkehrs- und Parkflächen zugunsten von Fußgängern, Radfahrern und Begegnungsstätten ermöglichen. Wir dürfen bis dahin jedoch nicht die Hände in den Schoß legen, sondern müssen jetzt beginnen, die Zukunft aktiv zu gestalten!
„Da sich unsere Welt radikal verändern wird, stehen wir nicht vor der Frage, ob alles bleiben soll, wie es ist, oder nicht. Wir stehen nur vor der Frage, ob sich diese Veränderung durch Gestaltung oder Zerfall vollziehen wird.“
Harald Welzer in „Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand"
Siehe dazu auch diesen interessanten Beitrag!
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