Montag, 4. Dezember 2017

Ist das Elektroauto die perfekte Lösung?


Die Zukunft der individuellen Mobilität. Oder:
Ist das Elektroauto die perfekte Lösung?

"Ich sehe eine Stadt, in der zu 100 Prozent emissionsfreie Autos lautlos und autonom fahren. Es wird keine Ampeln mehr geben und keine Staus. Shared-Mobility löst die Platznot in den Städten. Die Parkplätze weichen Grünflächen, da die Autos in entfernte Parkhäuser zum Laden fahren. Dies führt zu einer neuen Dimension an Lebensqualität in den Städten“ (Ein leitender Entwicklungsingenieur von Audi).
Wir lieben es, jederzeit mobil und unabhängig zu sein. Das eigene Auto hilft uns dabei und ist darüber hinaus vielfach noch ein Statussymbol. Außerhalb der Großstadt ist ein Auto oft noch zu wenig. Andererseits: Der tägliche Stau auf der A2 und in Wien nervt, die Parkplatznot wird immer ärger, die größer werdenden Autos passen immer weniger in die Tiefgaragen und Diesel sind als Stinker in Verruf geraten, von  Fahrverboten in Städten und von einem starken Preisverfall beim Wiederverkauf bedroht. Und von den (auch versteckten) Kosten des eigenen Autos, die sich unter Berücksichtigung des Wertverlusts meist auf über 500.- Euro pro Monat belaufen, gar nicht zu reden, darum werden sie meist auch verdrängt.

Die Alternativen erscheinen oft nicht rasend verlockend: Dem ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr)  fehlt bei uns eine gute Anbindung an das hochrangige Netz des VOR (Verkehrsverbunds Ostregion) bzw. der Wiener Linien, an den Umsteigstellen gibt es zu wenig und nur teure Parkmöglichkeiten, Fahrrad fahren oder gehen bei jedem Wetter ist nicht immer lustig, Car-Sharing ist erst in schüchternen Anfängen und über Elektroautos liest man mal dies, mal das.

Wie kann eine nachhaltige, ökologisch und ökonomisch optimale Personenmobilität also aussehen?

Man könnte zunächst beim bisherigen Tankstellennetz und den jetzigen Treibstoffen und Verbrennungsmotoren bleiben, die Treibstoffe aber unter Einsatz erneuerbarer Energie synthetisch
aus Wasserstoff und CO2 oder Biomasse und damit CO2-neutral  herstellen. Dies ist aber insgesamt mit extremen Umwandlungsverlusten und Kosten verbunden und scheint aus jetziger Sicht keine realistische Lösung zu sein. Sogar von der derzeitigen geringen  Beimischung von aus Biomasse hergestelltem Treibstoff („Biodiesel“) zu konventionellem Treibstoff rückt man zu Recht wegen der enormen Umweltbelastungen durch  Palmölplantagen wieder ab.

Zur Erzeugung der letztlich erforderlichen mechanische Antriebskraft ist der Elektromotor unschlagbar: Sein Wirkungsgrad ist etwa 3 mal besser als der eines Verbrennungsmotors, er ist wesentlich einfacher im Aufbau, das ganze Auto wird billiger in Fertigung und Wartung, weil auch eine Menge an Nebenaggregaten und beweglichen Komponenten wegfällt, und nur der Elektroantrieb erlaubt auch die Nutzung der Bremsenergie. Bleibt die Frage, wo der erforderliche Strom erzeugt und welcher Energieträger im Auto mitgeführt wird.

Eine Alternative zu herkömmlichen Autos sind Hybridautos. Sie vereinigen die Nachteile der Verbrennungsmotoren mit einer extrem aufwendigen und daher potentiell störungsanfälligen und teuren Konstruktion, bieten aber gegenüber konventionellen Fahrzeugen doch gewisse Vorteile, vor allem beim  Treibstoffverbrauch. Sie scheinen eine Brückentechnologie zu sein, deren Sinnhaftigkeit sich aber dem Ende zuneigt.

Eine Möglichkeit wäre, das Auto mit Wasserstoff zu betanken und den Strom für die Antriebsmotoren im Fahrzeug durch eine Brennstoffzelle zu erzeugen. Brennstoffzellen haben derzeit Wirkungsgrade zwischen 35 und 60%, und sehr viel mehr ist da auch nicht mehr zu erwarten. Die Erzeugung von Wasserstoff erfordert viel Energie, was die Frage aufwirft, wie diese erzeugt wird. So wird auch im Sonnenstaat Kalifornien  Wasserstoff mit großen Umwandlungsverlusten aus fossilen Energieträgern oder Biomasse hergestellt. Auch Lagerung und Verteilung des Wasserstoffs sind nicht problemlos: Für die Verflüssigung werden etwa 20% der Primärenergie benötigt, und die Lagerung von Flüssigwasserstoff erfordert viel Volumen (in Relation zur enthaltenen Energie) und extreme Temperaturisolation. Die  Verdichtung von gasförmigem Wasserstoff auf bis zu 700 bar, wie sie für die Tanks von Autos benötigt wird, braucht nochmals etwa 12% der Primärenergie. Außerdem verflüchtigt sich gasförmiger Wasserstoff durch die besten Tankmaterialien hindurch. Der Vorteil von Brennstofzellen- Autos läge in der hohen Reichweite und in der kurzen Betankungszeit. Betreibt man mit dem Wasserstoff hingegen einen Verbrennungsmotor, hat man zwar den schlechten Wirkungsgrad der Brennstoffzelle eliminiert, dagegen aber den noch schlechteren Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors mit seinen übrigen Nachteilen eingetauscht. Und derzeit gibt es in Österrreich gerade mal drei Wasserstofftankstellen.

Die andere Möglichkeit ist, das Auto gleich mit Strom zu „betanken“ und diesen in Akkus zu speichern. Sofern der Strom aus regenerativen Quellen (Wasserkraft, Wind oder Sonne) kommt, ist das Elektroauto hinsichtlich seines ökologischen Fußabdrucks schon heute die günstigste Lösung (auch über den gesamten Lebenszyklus von Materialförderung, Produktion, Betrieb und Entsorgung). Wird der erforderliche Strom hingegen aus fossilen Energieträgern hergestellt, sind Umweltbelastung und energetischer Wirkungsgrad nicht günstiger als bei Autos mit Verbrennungsmotor. Der Bau der erforderlichen Ladestationen sowie der Ausbau von Stromnetz und Stromerzeugung ist überschaubar. Sobald die organisatorischen Probleme gelöst sind, kann eine große Flotte von Elektroautos auch zu einer wirtschaftlicheren Nutzung der Kapazitäten des Stromnetzes und zum Ausgleich der schwankenden Energieaufbringung durch Wind und Sonne beitragen.

Die Akku- Technologien sind sehr in Fluss, und so ist in den kommenden Jahren mit erheblichen Preissenkungen und höheren Kapazitäten (=Reichweiten) zu rechnen. Diskutiert wird eine mögliche Verknappung von Lithium und Kobalt, auf denen die derzeitige Akkutechnologie aufbaut. Mittelfristig wird Lithium hier aber durch Mangan, Natrium, Magnesium oder andere Stoffe abgelöst werden können.

Gehen wir in unserer Betrachtung eine Ebene höher: Zu wie viel individueller Mobilität wir gezwungen sind, wird durch Raum- und Ortsplanung ebenso beeinflusst wie durch die Qualität des öffentlichen Personennahverkehrs. Wie ist unsere Einstellung zum eigenen Auto? Brauchen wir einen zwei Tonnen schweren SUV mit 180PS, damit durchschnittlich 1,15 Insassen und eine Einkaufstüte weniger als 10km zurücklegen? Sehen wir es als Statussymbol oder bloß als Mittel, um von A nach B zu kommen? Und können wir uns vorstellen, Autos bloß zu nutzen und mit Anderen zu teilen, anstatt sie 23 Stunden pro Tag irgendwo rumstehen zu lassen?

e-Carsharing (bei uns e-Carregio) ist erst in den Anfängen. Außerhalb Wiens müssen die Autos immer an einen definierten Standort zurückgebracht werden, gemeindeübergreifendes Nutzen ist damit sehr beschränkt. Das eine e-Auto, das jetzt bei uns zur Verfügung steht, wird auch keine Familie veranlassen, auf ein eigenes (Zweit-) Auto zu verzichten. Wir setzen uns daher für einen massiven Ausbau von e-Carsharing und ein Modell ein, das auch Personen ohne Führerschein Vorteile bringt.

Carsharing wird einen massiven Boom erleben, sobald diese Autos autonom fahren können. Die Diskussion, wie hoch die Sicherheit dafür getrieben werden muss, ist bereits entflammt und sehr interessant. Auch die Autohersteller denken bereits über eine Änderung ihres Geschäftsmodells nach, um es an ein solches Szenario anzupassen:
"Ich sehe eine Stadt, in der zu 100 Prozent emissionsfreie Autos lautlos und autonom fahren. Es wird keine Ampeln mehr geben und keine Staus. Shared-Mobility löst die Platznot in den Städten. Die Parkplätze weichen Grünflächen, da die Autos in entfernte Parkhäuser zum Laden fahren. Dies führt zu einer neuen Dimension an Lebensqualität in den Städten. Es geht nicht mehr darum, so viele Autos, sondern so viele Kilometer wie möglich zu verkaufen. Ich brauche nur noch meinem Handy zu sagen, wann mich welches Auto wohin bringen soll. Dahinter steckt ein großes Business-Modell.“ (Ein leitender Entwicklungsingenieur von Audi). Das ganze Interview ist hier zu finden.
Zusammenfassung:
Die ökologisch beste Mobilität ist die, die nicht notwendig (=die Not wendend) ist. In der Reihung folgt weiter gehen, radfahren, öffentlicher Personenverkehr, an letzter Stelle kommt das fliegen.

Für Autos, die man selbst nur gelegentlich nutzt ist es sinnvoll, mit Freunden oder Bekannten im Umfeld Möglichkeiten einer geteilten Nutzung zu organisieren. Dies ist unabhängig von der Antriebsart und kann sofort angegangen werden. Angebote verschiedener Unternehmen und Internetplattformen erleichtern es, das Teilen eines Autos mit Bekannten oder Nachbarn bequem selbst zu organisieren. Gute Anlaufstellen sind zum Beispiel carsharing24/7 und Caruso Carsharing. Diese bieten die notwendige Technik und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Versicherungsgesellschaften spezielle Pakete für das private Sharing von Autos an. Vorhandene private Pkw werden damit besser ausgelastet.

Ökologisch unvernünftig wäre es, ein funktionsfähiges Auto gegen ein Elektroauto umzutauschen, nur weil das modern ist, finanziell gefördert wird und Image bringt. Vernünftiger ist es, ein bestehendes Auto so maßvoll als nötig, aber auch so lange als nur ökonomisch halbwegs sinnvoll weiter zu verwenden. Zum Ressourcenverbrauch eines Autos siehe hier.

Sinnvoll wäre es, mal in Elektromobilität und e-Carsharing hineinzuschnuppern. Unser e-Carregio Auto im Ort bietet dazu eine Gelegenheit. Und absolut notwendig wäre, sich für einen Ausbau von e-Carsharing,  des ÖPNV (öffentlichen Personennahverkehrs) und  für ausreichende und kostengünstige Parkmöglichkeiten an den Umstiegsstellen ins hochrangige öffentliche Verkehrsnetz einzusetzen.

Falls die Neuanschaffung eines Autos wirklich erforderlich ist, ist schon aus heutiger Sicht ein Auto mit reinem Elektroantrieb die beste Lösung, vorausgesetzt, es kann mit Strom aus regenerativen Quellen aufgeladen werden. Bei der Typenauswahl (Größe, Reichweite) sollte man sich an den Alltagserfordernissen orientieren. Die 800 km- Urlaubsfahrt mit allen Familienmitgliedern und großem Gepäck lässt sich wahrscheinlich anders organisieren.

Siehe dazu auch:
Transformation von Mobilität und Transport 
Ausgeblendete Kosten des Verkehrs 
Faktencheck E-Mobilität: E-Autos schonen Umwelt und Geldbörse  
Faktsheet Car-Sharing
http://www.achgut.com/artikel/eine_gegenrede_zum_e-auto-pessimismus
https://www.zfk.de/mobilitaet/artikel/e-mobilitaet-utrecht-zeigt-zukunft.html 
Wie funktioniert ein Brennstoffzellen- Auto?
interaktiver Rechner: Ab wann schont ein PKW- Neukauf die Umwelt?


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