Mittwoch, 20. Dezember 2017

Zum aktuellen Regierungsprogramm

Das offizielle Regierungsprogramm unserer neuen Regierung verdient es, aufmerksam gelesen zu werden. Vielleicht werden wir die Regierenden gelegentlich ja an ihre eigenen, darin formulierten Prinzipien und Ziele erinnern müssen. Es enthält auch einige Widersprüche, lässt etliche Fragen aufkommen und wird noch Stoff für viele hoffentlich sachliche Diskussionen bieten.

So findet man schon in der Präambel: “Wir  können  uns  auf  ein  starkes  Sozialsystem  verlassen,  das aber nicht mehr treffsicher und effizient ist”. Das ist doch ein glatter Widerspruch. Denn entweder ist das Sozialsystem stark, oder es ist ineffizient und nicht treffsicher. Natürlich wird man Treffsicherheit und Effizienz immer wieder optimieren müssen. Optimieren ist aber ein stetiger, gradueller, sorgfältig kontrollierter Prozess und alles andere als der angekündigte radikale Umbau.

Ferner in der Präambel: “...wir leben in einer freien und solidarischen Gesellschaft, die aber immer
mehr herausgefordert ist durch die  Verfehlungen in der Migrationspolitik in den vergangenen Jahren.” Diese Begründung ist stark zu bezweifeln: Die solidarische Gesellschaft wird weniger  durch die vergangene Migrationspolitik herausgefordert, sondern vielmehr durch eine bisher hochgradig verfehlte Integrationspolitik, durch  Ausgrenzung und  durch eine ungerechte Steuerpolitik. Und sie wird durch den beabsichtigten Rückbau des Sozialsystems noch weiter gefährdet.

Und weiter in der Präambel: “Wir arbeiten konstruktiv an Lösungen zum Wohle aller Österreicherinnen und Österreicher….(und) sichern einen  sozialen  Ausgleich  unter  allen  Gesellschaftsschichten”. Das sollten wir uns merken und bewerten, wie sich das beispielsweise mit der geplanten Deckelung der Mindestsicherung, mit den geplanten, reduzierten Unterstützungsmaßnahmen bei Arbeitslosigkeit und andererseits mit angekündigten Steuerentlastungen für Unternehmen und dem absolut ungenügenden Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerbetrug verträgt.

Auch in den im Regierungsprogramm genannten 11 “Prinzipien” finden sich etliche interessante Punkte. Hier einige Ausschnitte:

“Freiheit: Wir ..... wollen ... den Menschen mehr individuelle Spielräume geben.

Verantwortung:  Es liegt in der individuellen Verantwortung des Einzelnen, sich für ein harmonisches Zusammenleben in unserer Gesellschaft einzusetzen und gegen jeden Versuch einer Diskriminierung oder Spaltung entschlossen aufzutreten."
Es wird interessant sein, zu beobachten, wie vor allem einer der Regierungspartner Diskriminierung und Spaltung wirklich entgegentreten oder sie vielleicht aktiv befeuern wird.

Generationengerechtigkeit:  Wir  wollen  eine  Politik  mit  langfristiger  Perspektive  machen, ... die sich nicht auf dem Rücken der nachfolgenden Generation finanziert und Fairness sowie soziale Gerechtigkeit für alle Generationen ermöglicht.”
Das ist aber volkswirtschaftlich falsch. Denn die Finanzierung langfristig wirksamer Investitionen kann nicht von den gegenwärtigen Generationen allein getragen werden. Gerade die soziale Gerechtigkeit erfordert, solche Investitionen durch Kredite (Schulden) zu finanzieren, zu deren Tilgung die nachfolgenden Generationen als deren Nutznießer ebenfalls beitragen müssen.

Familie:  Für  uns  stehen  vor  allem die Kinder im Mittelpunkt

Nachhaltigkeit:  “Die Politik soll den Anforderungen und Bedürfnissen der nächsten Generation  entsprechen.  Der  nachhaltige  Umgang  mit  der  Natur  und  eine  erfolgreiche  wirtschaftliche  Entwicklung sind keine Gegensätze, sie bedingen einander.”

Hat die Wirtschaft nur erfolgreich zu sein und nicht auch eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeit, zu einem nachhaltigen Wirtschaften? Und wie sieht es mit einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung aus? Laut Wikipedia versteht man unter “Sozialer Nachhaltigkeit”, dass ein Staat oder eine Gesellschaft so organisiert ist, dass sich die sozialen Spannungen in Grenzen halten und Konflikte nicht eskalieren, sondern auf friedlichem und zivilem Wege ausgetragen werden können.

Chancengleichheit:  “Wir  wollen  die  beste  Bildung  für  jedes  Kind  bieten  –  abgestimmt  auf seine  Bedürfnisse  und  Talente.” Da kann man nur dafür sein. Dass das gegenwärtige Schulsystem hochgradig ineffizient ist, ist unbestritten, Ob aber die “beste  Bildung  für  jedes  Kind” durch die geplanten Maßnahmen erreichbar ist, kann bezweifelt werden.

Leistung:  “Leistung muss sich lohnen und darf nicht bestraft werden.” Aber wer hat vielleicht durch die erbrachte Leistung einen Nachteil erlitten (Gesellschaft, Umwelt, natürliche Ressourcen)? Solche Nachteile müßten mit einer allfälligen “Belohnung”  gegengerechnet und gegebenenfalls sanktioniert werden. Und wie werden Leistungen, die innerhalb der Familien, in Vereinen oder ehrenamtlich erbracht werden, belohnt? Woran hat sich der Wert einer Leistung zu bemessen, wenn nicht an einer Steigerung des Gemeinwohls?

Auf Ihre Kommentare sind wir schon sehr neugierig!

2 Kommentare:

  1. Zur Nachhaltigkeit: Unter einer erfolgreichen Wirtschaft kann man viel verstehen. Erfolgreich kann man auch im Sinne der Gemeinwohlökonomie sein. Solche Unternehmen gibt es schon. es ist nur die Frage, ob dieser neue, vielversprechende Weg von dieser Regierung unterstützt wird.
    Familie: Die Kinder stehen nur dann im Mittelpunkt, wenn die Familie halbwegs wohlhabend ist. Für die Ärmsten der Gesellschaft soll nämlich die Mindestsicherung auf 1.500 Euro gedeckelt werden, egal, wie viele Kinder es gibt.
    Umwelt? dieses Thema fehlt mir in diesem Artikel. Kommt es in der Regierungserklärung nicht vor? Umso schlimmer.

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    1. Natürlich kommt "Umwelt" im Regierungsprogramm vor, auf Seite 169 beginnt das Umweltkapitel. Dort sind viele Schritte und teilweise auch quantitativ und zeitlich definierte Ziele erwähnt. Deren Erreichbarkeit muss allerdings angesichts der bisherigen "Erfolge" skeptisch beurteilt werden. Wie rasch und ernsthaft Maßnahmen zur Erreichung der umweltrelevanten Sustainable Developement Goals tatsächlich umgesetzt werden, wird die Zukunft zeigen. Schöne Worte auf Papier gab es auch schon bisher.

      Wirkungsvolle Maßnahmen werden wohl nur über den Umweg einer vollen Kostenwahrheit von Ressourcenverbrauch, Tranporten usw. und auch durch eine Änderung unseres Lebensstils umgesetzt werden können. Die hier zu erwartenden Widerstände sind enorm!

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