Donnerstag, 2. März 2023

Der (noch) lange Weg zum Informationsfreiheitsgesetz

„Staatliches Handeln soll durch ein Höchstmaß an Transparenz gekennzeichnet sein.“ Das steht so im Grundsatzprogramm der ÖVP. Aber: Grau ist alle Theorie, die türkis/schwarze Praxis schaut anders aus.

Bereits im März 2019 beklagte der „Standard“ in einem Artikel: „Geheimniskrämerei ohne Nutzen. Bei der Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes ist jetzt die ÖVP gefordert.“ Die inhaltlichen Grundlagen für ein Informationsfreiheitsgesetz wurden dann im türkis-grünen Regierungsprogramm 2020 detailliert vereinbart. Es folgten langwierige Verhandlungen, auch mit den Bundesländern. Über Monate verzögerte sich die Fertigstellung des Entwurfs, bis er im Frühjahr 2021 endlich präsentiert werden konnte. Schon damals bemerkte der NEOS-Abgeordnete Scherak: „Es ist bemerkenswert, wie viel in Österreich möglich scheint, wenn die ÖVP von sich selbst ablenken muss."

Der nun vorliegende überarbeitete Begutachtungsentwurfs ist das Ergebnis von  50 Mediationsrunden mit Vizekanzler Werner Kogler und stellt einen Kompromiss zwischen allen relevanten Positionen dar. Im bisherigen Begutachtungsprozess wurde kaum ein wesentliches Argument eingebracht, das in den breit angelegten Verhandlungen zuvor nicht schon berücksichtigt worden wäre.

In einem Interview kündigte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nun wieder eine Überarbeitung des Begutachtungsentwurfs an. Es besteht die Gefahr, dass weitere Änderungen auf eine Verschärfung der bisherigen Amtsgeheimnisses hinauslaufen würden. Denn es sind zahlreiche Ausnahmen vorgesehen, etwa: 

  • Das Recht auf Zugang zu Informationen soll nicht gelten, „soweit deren Geheimhaltung aus zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen, im Interesse der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Vorbereitung einer Entscheidung, zur Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen erforderlich und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist. Die gesetzlichen beruflichen Vertretungen sind in Bezug auf Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs nur gegenüber ihren Angehörigen informationspflichtig.“
  • Als Antwort-Frist sind derzeit 4 Wochen vorgesehen, dass kann jedoch auf bis zu 8 Wochen verlängert werden. Zum Vergleich: EU-Institutionen müssen binnen 15 Arbeitstagen Auskunft erteilen, in Estland beträgt die Frist 5 Arbeitstage.
  • Für die Durchsetzung der Transparenzregeln sollen nur die Verwaltungsgerichte zuständig sein. Deren Verfahren dauern in der Regel mehrere Jahre, wenn Behörden mit Einsprüchen oftmals bis zum Verwaltungsgerichtshof ziehen. Viele BürgerInnen werden vor dem Aufwand eines langjährigen Verwaltungsverfahrens gegen staatliche Stellen zurückschrecken. Behörden können Verwaltungsgerichten ohne Sanktionen Dokumente und Informationen vorenthalten, und Verwaltungsgerichte können letztlich Entscheidungen für eine Herausgabe von Informationen gegenüber Behörden auch nicht durchsetzen.
  • Und ausgerechnet die Datenschutzbehörde soll Behörden in Sachen Datenschutz beraten. Sie verfügt aber nicht über  die interne Kultur, um Transparenz voranzutreiben. So steht zu befürchten, dass sie gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag stets zu mehr Geheimhaltung raten wird.

Woher der heftige Widerstand kommt ist klar: So meinte etwa Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl (ÖVP) im Februar 2023: „Was wir wollen und brauchen, ist …….. vor allem eine Klärung der Frage: Wollen wir mehr Datenschutz? Oder mehr Informationsfreiheit? Solange diese Themen nicht geklärt sind, wird es kein neues Gesetz geben.“

Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass die ÖVP für Transparenz eintritt!

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