Die Grünen haben den Wiedereinzug in den NÖ Landtag
geschafft. Das ist doch gut, oder?
Genau das, was wir uns gewünscht bzw. erhofft hatten, oder?
Ja, das stimmt.
Was wir allerdings auch erwartet haben, war ein korrekter Ablauf der Wahl. Das darf, so
meinen wir, jede Bürgerin und jeder Bürger in Niederösterreich erwarten.
Diese Erwartung wurde
offensichtlich nicht erfüllt.
Die Landtagswahl NÖ war mit ziemlicher Sicherheit nicht
verfassungskonform. Grund: ein überstürzt beschlossenes Gesetz, wonach
die Gemeinden gezwungen wurden, mehr oder weniger willkürlich
Entscheidungen über das Wahlrecht von BürgerInnen mit Zweitwohnsitz zu
treffen. Eine Anfechtung der Wahl war für die Grünen unter anderem aus finanziellen
Gründen nicht möglich. Lesen Sie hier die Hintergründe.
Wer ist in NÖ bei Landtagswahlen wahlberechtigt?
- Menschen mit Hauptwohnsitz
- Menschen mit Nebenwohnsitz in NÖ
Gleiches gilt für Gemeinderatswahlen. Das ist neben NÖ nur
noch im Burgenland so.
Ist es gerecht, dass in NÖ NebenwohnsitzerInnen wahlberechtigt sind?
Ein Grundpfeiler des verfassungsmäßigen Wahlrechts ist das Prinzip des gleichen Wahlrechts.
Es hat zu gelten: eine Person, eine Stimme.
Dieses Recht wird, bezogen auf den Bundesrat, durch die Zweitwohnsitzregelung gebrochen. Über die Landtage werden je nach Ergebnis einer Landtagswahl, Bundesräte in den Bundesrat entsandt.
So gilt die Stimme von jemandem der sowohl in NÖ wie auch in einem anderen Bundesland wählt mindestens zwei mal für die Zusammensetzung des Bundesrates.
Die Grünen versuchen seit Jahren, diese Regelung über ihre
Arbeit im Landtag, zu ändern. Bisher ohne Erfolg.
Wahlberechtigung der NebenwohnsitzerInnen sollte überprüft werden
Im Sommer 2017 hatte die ÖVP unter der neuen Landeshauptfrau
Mikl-Leitner die Idee, das Wahlrecht von NebenwohnsitzerInnen zu überprüfen.
Das sogenannte Landesbürgerevidenzgesetz wurde dazu geschaffen um
genauer zu definieren, welche Personen in NÖ wahlberechtigt sein sollen.
Das klingt ja soweit ganz vernünftig.
Das Gesetz ist mangelhaft
Das Gesetz weist lt. Experten gravierende Mängel auf.
Die Grünen haben von Anfang an auf diese Mängel hingewiesen, diese laufend
kritisiert und angemerkt, dass sie zu einer Wahlanfechtung führen könnten. Hier der Link zu einem der zahlreichen Presseartikel dazu.
Die Gemeinden wurden danach angewiesen, NebenwohnsitzerInnen
anzuschreiben und ihnen einen Fragebogen zuzusenden. Anhand der beantworteten
Fragen sollten die BürermeisterInnen entscheiden, welche Menschen in der
sogenannten Wählerevidenz bleiben und somit wahlberechtigt sind.
Den Gemeinden wurde kein Regelwerk
mitgegeben, wie die Antworten zu bewerten sind. Es wurden lediglich mehrere, teilweise
widersprüchliche Weisungen an die Gemeinden geschickt. Eine dieser Weisungen lautete
z.B., dass ein Nichtzurücksenden des Fragebogens keinesfalls automatisch zum
Streichen einer Person aus der Wählerevidenz führen dürfe. Beamte kritisierten das Gesetz ebenfalls.
Das Fehlen eines Regelwerks hat, vereinfacht gesagt, unter
anderem dazu geführt, dass Gemeinden völlig unterschiedlich entschieden haben,
wer wählen darf und wer nicht.
Hier einige Beispiele:
Retz: 850 Nebenwohnsitze wurden überprüft, 350 wurden
gestrichen
St.Pölten: keine einzige Person wurde gestrichen
Semmering: 600 Leute wurden angeschrieben, alle die nicht
geantwortet haben, wurden gestrichen (trotz der oben erwähnten Weisung, dass
ein Nichtretournieren keinesfalls zu einer Streichung führen dürfe).
Würflach: von 230 geprüften Nebenwohnsitzen wurde niemand
gestrichen
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass in Biedermannsdorf
die Bürgermeisterin sowie der zuständige Mitarbeiter am Gemeindeamt in höchstem
Maße gewissenhaft vorgegangen sind. Bei uns wurden lediglich Personen aus der
Wählerevidenz gestrichen, deren Meldung quasi irgendwann im Melderegister
vergessen wurden.
Zahlreiche Menschen meldeten sich nach der Wahl bei den Grünen
Nach der Wahl haben sich einige hundert Menschen, die nicht
wählen durften, bei den Grünen gemeldet.
Es gab verschiedene Typen von Fällen:
- Ehepaare, ein Partner wahlberechtigt, der andere nicht.
- Menschen, die erst im Wahllokal über eine Streichung informiert wurden
- BürgerInnen wurden im Wahllokal abgewiesen, die zuvor am Gemeindeamt die Wahlberechtigung bestätigt bekommen hatten
Grüne ließen Fälle prüfen
Aufgrund dieser zahlreichen Beschwerden ließen die Grünen NÖ
diese Fälle von Rechtsanwalt Dr. Heinrich Vana prüfen und in Abstimmung mit Dr. Bernd Christian Funk ein Gutachten erstellen.
Hier können sie nachhören, wie Dr. Vana, den
Ablauf der Landtagswahl beurteilt.
Wahl laut Gutachten verfassungswidrig
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es eindeutig massive
Unterschiede in der Beurteilung des Wahlrechts gab. Es gab, vereinfacht gesagt,
sehr viele Menschen, die zu Unrecht nicht wählen durften wie auch sehr viele
Menschen, die zu Unrecht wählen durften.
Unsere Anwälte kommen daher zu dem Schluss, dass die Wahl
mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig war.
Warum fechten die Grünen die Wahl nicht an?
Die Entscheidung, ob die Grünen die Wahl anfechten, war aus verschiedenen
Gründen schwierig und unsere Landessprecherin Helga Krismer hat diese
Entscheidung den Landesausschuss treffen lassen. In dem Gremium haben 2/3 der
Stimmberechtigten gegen eine Anfechtung gestimmt. Helga Krismer fasst in dieser
Pressekonferenz zusammen, was die Gründe für die Ablehnung waren.
- Eine Neuwahl würde nur der ÖVP NÖ helfen, da nur diese auch über entsprechende Mittel für eine neuerliche Wahl verfügt.
- Eine Anfechtung bedeutet für die anfechtende Partei ein erhöhtes Risiko, die Rechnung für die Anfechtung präsentiert zu bekommen.
- Das finanzielle Risiko einerseits für die Grünen Niederösterreich, die die Sanierung der Bundesgrünen mittragen und andererseits für die Klubobfrau Helga Krismer selbst, die wiederum für einen Betriebsmittelkredit haften müsste.
Wie geht es weiter?
Die Grünen NÖ werden in der konstituierenden
Landtagssitzung am 22. März einen entsprechenden Antrag
aufgrund des oben angesprochenen Gutachtens zur
Reparatur des Landesbürgerevidenzgesetzes einbringen. Da dieses
Gesetz auch die kommenden Gemeinderatswahlen 2020 betrifft, darf diese Wahl
nicht auf der aktuellen "verfassungswidrigen" Grundlage stattfinden,
sondern die ÖVP NÖ ist rasch gefordert, ein
verfassungskonformes Gesetz für die Gemeinderatswahl zu verabschieden.
Interessante Wendung
In der Zwischenzeit wurde bekannt, dass die wahlwerbende Partei "Wir für Niederösterreich" die Wahl vor wenigen Tagen angefochten hat. Neben anderen Gründen führen sie in der Begründung an, dass in Gemeinden unterschiedlich über das Wahlrecht entschieden wurde.
Die Sache bleibt also weiterhin spannend. Sollte der Verfassungsgerichtshof der Anfechtung stattgeben und die Wahl aufheben, wird es möglicherweise im Herbst eine Neuwahl geben.
Grüne kritisieren Nebenwohnsitz Wahlrecht: http://noe.orf.at/news/stories/2872086/
https://noe.gruene.at/themen/demokratie/wir-fechten-die-landtagswahl-vom-28-jaenner-nicht-an
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