Donnerstag, 15. September 2016

Ein komplexes Problem hat keine einfache Lösung

 

Im Gemeinderat am 8.9. gefiel es unseren FPÖ-Mandataren wieder einmal, sich als die Exekutoren unseres Flüchtlingsprojektes zu generieren.
Auch dieses Mal verlas man eine Liste der von Asylwerbern begangenen Verfehlungen.
Auch dieses Mal war nicht klar, was davon den Tatsachen entsprach.
Auch dieses Mal beantragten sie als einzig richtige Lösung aller Probleme die Schließung des Flüchtlingsheimes mit der Begründung, die Betreuerinnen und Betreuer kämen ihren Pflichten nicht nach.
Auch dieses Mal versuchten sie, im Gemeinderat Themen für den Nationalrat – wie zum Beispiel die
Aberkennung des Flüchtlingsstatus von Afghanen – zu diskutieren.
Ich bin sicher, dieses Ritual im Gemeinderat wird künftig regelmäßig veranstaltet werden. Schließlich entspricht dies der offiziellen destruktiven Parteilinie.

„Was man mit mehreren Sätzen erklären muss, wird von einer Lüge mit einem Satz erschlagen.“
Dieser Satz des US-Präsidenten Obama fällt mir ein, wenn ich mich mit FPÖ-Kommentaren zur Flüchtlingsproblematik konfrontiert sehe. Der große Vorteil von leichthin in die Menge geworfenen populistischen Behauptungen ist es ja, dass sie nicht ebenso rasch beantwortet werden können.
Denn zu jedem komplexen Problem gibt es eine einfache, leicht verständliche, falsche Lösung. Verwerflich ist es, wenn man über diesen Zusammenhang genau Bescheid weiß und ihn als Vehikel für die Beförderung der eigenen politischen Karriere benützt.
Jetzt kann man sich aussuchen, wie man bestimmte Politiker sehen soll. Dumm oder gewissenlos.
Ich habe mich nun dazu entschlossen, hier in diesem Medium eine Antwort zu versuchen. Zugegeben, sie wird länger. Sie wird vielleicht keine einzig wahre Lösung anbieten. Aber sie wird ehrlich sein.
Es gibt Kriminalität von Asylwebern. Eine Binsenwahrheit. Es gibt auch Kriminalität von Österreichern. Es gibt auch Kriminalität von Bankmanagern. Auch von Fußballspielern und Skifahrern, auch von Priestern und Kardinälen. Ja sogar von Politikern. Auch von Ärzten, von Inuits und von Kenianern. Alle Nichtgenannten mögen sich als eingeschlossen betrachten. Insofern sind also alle gleich. Bis auf einen gravierenden Unterschied. Die Asylwerber werden in Bausch und Bogen verurteilt, sobald sich einer von ihnen etwas zuschulden kommen lässt. Über ihre Straftaten wird von FPÖ-Politikern mit besonderer Genugtuung berichtet.
Diese Pauschalverurteilung ist auch der Grund, warum die Schließung des Flüchtlingsheimes in Biedermannsdorf gefordert wird. Selbstverständlich wird allen sechsunddreißig dort wohnenden Jugendlichen unterstellt, in irgendeiner Form kriminell zu sein weil einer von ihnen ein Drogenproblem hatte und ein anderer in eine Schlägerei verwickelt war. Ja natürlich gibt es das. Hat schon einmal jemand ein Jugendheim gesehen, wo nur Musterschüler leben?
Also schließen wir einfach das Heim und damit gibt es keine Kriminalität und keine Flüchtlinge mehr. Das soll die Lösung sein? Im Ernst? Wohin würde denn Biedermannsdorf die Flüchtlinge abschieben? Nach Afghanistan oder nach Syrien? Ganz gewiß nicht, sondern nach Wien in ein Massenquartier oder in irgendein Notlager in der Umgebung, wo alles Übel erst recht Nahrung findet. Würde es mehr Gemeinden geben, die eine überschaubare Zahl von Flüchtlingen aufnehmen, wäre das Problem weitaus geringer. Dass es groß ist, verdanken wir unter anderem auch der FPÖ, der es mit Druck und Hetze gelingt, eine Beteiligung vieler Gemeinden an der Flüchtlingsaufnahme zu verhindern.
In unserem Flüchtlingsheim gehe ich mehr oder weniger ein und aus, sowie mehrere andere Biedermannsdorferinnen und Biedermannsdorfer auch. Im Gegensatz zu denen, die gegen sie hetzen und polemisieren. Ich weiß also, wovon ich hier schreibe. Die meisten der Jungs sind bemüht, sich ordentlich zu benehmen und zu lernen. Sie sind freundlich und ehrlich. Die Betreuerinnen und Betreuer, sowie die Angehörigen der Flüchtlingsinitiative ICH-DU-WIR sind mit Erfolg bemüht, ihnen unsere Gepflogenheiten und unsere Sprache beizubringen. Viele von ihnen gehen bereits in weiterführende Schulen. Das – und nur das – ist der Weg, um Kriminalität vorzubeugen. Nur Zuwendung ist geeignet, um die Jungs davor zu bewahren, abzugleiten. Jede Straftat eines Jugendlichen ist eine Niederlage. Den Betreuerinnen und Betreuern deshalb schlechtes Arbeiten vorzuwerfen ist so, als würde man einen Anwalt beschuldigen, seine Pflicht zu verletzen, weil er einen Prozess verloren hat.
Gerade weil ich die Gefahren für unsere Gesellschaft kenne bin ich dafür, unser Jugendheim weiterhin zu führen.
Gerade weil ich weiß, wie schwer es ist mit teilweise traumatisierten Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, halte ich es für unendlich wichtig, die Bevölkerung für sie zu gewinnen.
Jetzt kann man natürlich sagen, dieses ganze Problem gibt es ja nur, weil Österreich Flüchtlinge aufgenommen hat. Hätten wir es gemacht wie Polen, Tschechien oder Ungarn, wären wir fein raus.
Allerdings will ich mir nicht vorstellen was passiert wäre, wenn im Vorjahr Frau Merkel nicht gesagt hätte „wir schaffen das“, sondern „wir schließen die Grenzen“. Denn dann hätte das auch Österreich tun müssen und dann wäre es an der ungarischen Grenze zu grauenerregenden Zuständen gekommen. Und nicht nur in Ungarn, sondern am gesamten Balkan. Österreich, Deutschland und Schweden haben ein Überdruckventil geöffnet und damit einer enormen Gefahr die Spitze genommen. Es wäre die normalste Sache der Welt gewesen, hätten sich auch andere EU-Staaten bereit erklärt, einen Teil der Last zu tragen. Doch nein. Stattdessen kritisieren sie Merkels Willkommenskultur und sind insgeheim heilfroh darüber. Heute zu tönen, es war ein Fehler, die Grenzen zu öffnen, ist für mich der reinste Zynismus. Es war kein Fehler, sondern verantwortungsvolle, solidarische Politik.
Weiters sollte man sich die Frage stellen, warum es überhaupt Flüchtlinge gibt. Und wer an ihrem Vorhandensein die Schuld trägt. Das aber ist eine andere Geschichte über die hier sicher auch noch geschrieben werden wird. Tatsache ist, dass sie da sind und somit menschlich behandelt werden müssen.
Erinnern wir uns an jene Eigenschaften, die uns schon immer vorwärts gebracht haben. An Kooperation, an Solidarität und an Nächstenliebe (nicht an die von Herrn Khol). Folgen wir nicht den Rattenfängern, die plötzlich das Christentum für sich entdecken und das Abendland verteidigen wollen.

Gemeinderat Karl Wagner

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