Mittwoch, 19. Juli 2023

Das ehemalige Kinderheim: Ein neuer Anstoß?

Die kürzlich bekannt gewordene, tolle Diplomarbeit von Mona Zawosta bringt frischen Wind in Überlegungen, die seit 17 Jahren im Raum stehen. Bereits 2006 wurden im Rahmen eines Gemeinde-21 Projekts mit großer Bürgerbeteiligung in einer zweitägigen „Zukunftskonferenz“ Ideen für eine optimale Nutzung des Areals des ehemaligen Kinderheims der Stadt Wien erarbeitet. Die daraus aufbereiteten Ergebnisse wurden am 29. November 2006 den BiedermannsdorferInnen präsentiert.

Das Projekt wurde bis etwa Februar 2008 weitergeführt. Nach dem Bürgermeisterwechsel von Johannes Unterhalser zu Beatrix Dalos wurde die Finanzierung des Gemeinde-21 Projekts von der Gemeinde eingestellt und die erarbeiteten Ergebnisse negiert. Schon im Dezember 2008 wurde im Gemeinderat beschlossen, die Firma Donau Finanz für 15.000 Euro  mit einer Standortanalyse, der Erarbeitung eines Nutzungsvorschlags, eines Funktionskonzepts und der Erstellung einer Machbarkeitsstudie zu beauftragen.

In den Folgejahren wurde von den Oppositionsparteien mehrfach gefordert, das Areal von der Gemeinde Wien anzukaufen. Eine online- Meinungsumfrage der NÖN, ob die Gemeinde die Immobilie ankaufen soll, ergab dafür im Oktober 2016 jedenfalls eine überwältigende Mehrheit von 85% dafür. Bei der Gemeinderatssitzung am 20. Oktober äußerten alle Fraktionen den Wunsch, das Kinderheim wieder ins Eigentum der Gemeinde Biedermannsdorf zu bringen. Danach herrschte im Wesentlichen Funkstille.

In der Gemeinderatssitzung am 11. Jänner 2018 wurde dem Gemeinderat von der ARE (Austrian Real Estate) ein Planungs- und Beteiligungsprozess zur Entwicklung des Standortes des ehemaligen Kinderheims vorgestellt, der nun Ausgangspunkt für diese hervorragende  Diplomarbeit ist. Nach der öffentlichen Vorstellung dieses Projekts haben die Grünen im März 2018 eine Ideensammlung unter Beteiligung der BiedermannsdorferInnen gestartet, deren wesentlichste Ergebnisse hier nachzulesen sind. Am 3. Mai 2018 haben die Grünen ihre Anregungen für die weitere Realisierung dieses Vorhabens an Fr. Bürgermeisterin Dalos übergeben.

Um das Projekt weiter voranzubringen, hat Umweltgemeinderat Karl Wagner im Juli 2018 mit dem damaligen Mödlinger Stadtrat für Raumplanung, Stadtentwicklung und Stadterneuerung Rainer Praschak ein Interview geführt, da es damals in Mödling eine sehr vergleichbare Situation gab: Ein Areal, das der ARE gehörte, die aber auch eine Umwidmung benötigte, um ihr Projekt realisieren zu können. Diesen Hebel hat Mödling sehr gut genutzt, um die Interessen der Stadt und ihrer  Bevölkerung durchzusetzen.

Im Sommer 2019 wurden alle alten Bäume auf dem Gelände gefällt (man möchte fast sagen: getötet). Bis heute steht das Areal des ehemaligen Kinderheims unverändert leer, die Gebäude verfallen weiter.

Dass es in den letzten 17 Jahren nicht gelungen ist, das leerstehende und verfallende Areal zu revitalisieren, hat viele Gründe: Da ist zunächst das Interesse des Liegenschaftseigentümers, möglichst hohe Renditen durch möglichst viele Wohnungen zu erzielen, die jenen der Gemeinde nach einem hohen Nutzwert für die BiedermannsdorferInnen gegenüberstehen; dann die gegenseitige Fesselung dieser beiden Akteure, indem die ARE für die Nutzung eine Widmungsänderung durch die Gemeinde benötigt, die diese wieder nur für eine entsprechende Berücksichtigung ihrer Wünsche zu geben bereit ist. Dass einige der Gebäude auf dem Areal unter Denkmalschutz stehen, ist ein zusätzliches Problem. Und die Weigerung der für die Gemeindepolitik Verantwortlichen, in diesem langen Zeitraum ernsthafte Überlegungen für einen Ankauf des Areals anzustellen oder mit der ARE in Verhandlungen zu treten, um einen beide Seiten zufriedenstellenden Kompromiss zu finden, darf auch nicht unerwähnt bleiben.

Die nun bekannt gewordene Diplomarbeit von Mona Zawosta hat das Potential, nicht nur die Bevölkerung an dieses Dauerthema zu erinnern, sondern dieses Projekt tatsächlich wieder zu beleben. Der Verfasserin, der Gemeinde und ihren BewohnernInnen wäre das sehr zu wünschen. Allerdings befasst sich ihre Arbeit im Detail nur mit dem nordöstlichen Drittel des gesamten Areals und lässt die problematische Nutzung des weit größeren Rests unberücksichtigt.

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